Geplant war diese Erkundungstour in die Tuscia schon im letzten Jahr. Da gut Ding aber bekanntlich Weile braucht, dauerte es ein bisserl. Im Nachhinein kann und muss man dies als grob fahrlässig bezeichnen, denn ich wurde auf äußerst positive Weise von diesem nördlichsten Teil des Lazio überrascht.
Wenn laut Obelix die Römer spinnen, dann haben die Etruskuer in der Tuscia wohl einen Tuscha (umgangsprachliches Kärntnerisch für Klopfer), womit möglicherweise der orchestrale Tusch erklärt sei. Die Tuscia war ja quasi das letzte Rückzugsgebiet der Etrusker, bevor man sich dann doch den Römern ergab. Unbestätigten Gerüchten zufolge könnte dies etwas mit dem Fehlen von Verbündeten rund um Asterix zu tun haben, was wiederum geschichtlich nicht gesichert ist, lediglich im Geschichtenerzählbereich des kleinen Helden hie und da verankert erwähnt.
Doch zurück zum Thema oder vielmehr zu den Themen, die mich in Verzückung setzten. Start- und Treffpunkt mit meinem Guide vor Ort war Viterbo, ehemals päpstliche Residenz, Abhaltungsort mehrere Konzile und von Fritzi Barbarossa 1167 mit dem Stadtrecht versehen.
In die Geschichte ging auch die bisher längste Konklave im Jahre 1268 ein, als man insgesamt 1005 Tage papstwahldienliche Sondierungsgespräche führte. Gestartet wurden ebendiese mit 20 Kardinälen, am Schluss waren nur mehr 16 übrig (drei starben, einer gab auf – kein Scherz!). Bleibt zu hoffen, das dieses Schicksal der kommenden österreichischen Regierung erspart bleibt und die Verhandlungen unter Kurz kürzer werden – fix ist aber nix und der Kurz sehr jung.
Schon am ersten Abend wurde mir bewußt, dass man sich in dieser Gegend vorzüglich und sehr lange zum Abendmahl begibt – auf dass es nie das letzte sein möge. Knapp außerhalb der Stadt und nicht weit von der entzückenden Villa Lante (unbedingt besuchen!) entfernt, ging es in einem Landgasthaus in Übersicht schaffender Hügellage zu Tisch.
Was Laura Belli in ihrer Osteria auf den Teller zaubert ist einer Wiederkehr wert. Ein kurzer Teaser (Bilder dazu oben und unten) meiner kulinarischen Abendvergnügung: Parmesancreme mit gebratenen Pfirsich und Aceto Balsamico, geräucherte Coregone auf frischen Kräutern, Kastaniensuppe mit Bohnen (beides vor der Tür verfügbar), Papardelle mit einer Fegatogschicht….
Der nächste Tag brachte keinerlei Entspannung für den Verdauungstrakt. Nach einem Frühstück mit noch warmen Kuchenvariationen im B&B mit Blick über die Dächer der Stadt, ging es zu einer Käserei beim Monte Jugo, einem erloschenem Vulkan in der Nähe von Viterbo. Bekannt ist diese Gegend für die heißen Thermalquellen und seit kurzem auch für die Qualitätsprodukte dieses Caseificio.
Um die 700 neugierige Capre tummeln sich auf dem großzügigen Gelände, um die sieben Jahre herum versehen Sie ihren Milchdienst. Dazu gesellen sich noch um die 50 Schweine, die sich ihr – zugegebenen kürzeres – Leben lang im Freien tummeln und suhlen dürfen. Gefüttert wird nur mit selbst produziertem Futter. Die Schweinezucht entstand aus der Frage, was man mit den Abfällen der Käseproduktion machen könnte. Nachhaltigkeit wird hier also zu fast schon mehr als 100% gelebt.
Was auf dem Kostteller kommt hat Weltklasseformat, worauf auch schon die Slow Food Jünger aufmerksam wurden. Da ein Bild mehr als tausend Kalorien sagt, obenstehend der Beweis. Ich sag nur „lauwarmer Ricotta“ und Caprino Nobile, getrüffelter Semi-Stagionato, herrlicher Pancetta…
Die öffentlich zugänglichen Bagni auf den Feldern der Umgebung könnten für Entspannung sorgen, doch war ich zu sehr gespannt auf das Weinthema, womit wir kurz nach Käserei bei der Cantina Trebotti in Castiglione in Teverina landeten. Ein Bioherzeigbetrieb mit vorzüglichen Weinen, darunter ein Manzoni (den wir ja schon aus dem Veneto kennen, wo er in Conegliano vom Opa des Onkels dieses Winzers „erfunden“ oder vielmehr „gekreuzt“ wurde). Ganz zu schweigen von den Vini rossi, dem Passito und dem Esel, der im Olivenhain als Putzmann eingesetzt wird. Eine runde Sache…
So ein Tag muss mit Seeblick enden, was aufgrund der Nähe zum Lago di Bolsena kein Problem darstellt, vielmehr zur des Genussreisenden Verpflichtung wird. Ein Gastraum mit möbelhaften Versatzstücken aus mehreren Jahrzehnten sorgt für die fast schon nicht mehr zu toppende Sonnenuntergangsstimmun (die Erklärung für das „fast“ folgt am Ende des Beitrags). Die Küche in der guten Stube ist vom Seefisch geprägt, die Weinauswahl spiegelt die interessante Weinregion wieder, die hervorragende Weißweine „Est!Est!Est!“ zu bieten hat. Da kommt noch Anfang Oktober Sommerstimmung auf.
Tags darauf endlich Kunst! Es ist schon kurios. Zieht man mit einem Zirkel einen Kreis von 100 km, so stösst man auf mehr als ein Dutzend Skulturenparks bzw. Kunstgärten. In der Maremma jener von Spoerri oder der Giardino dei Tarocchi bei Capalbio. Zwischen Viterbo und Bagnoregio besuchen wir Kreaturen aus Schwemmholz, Elektroschrott und Alteisen des Künstlers Francesco Marzetti der hier mit seiner Lebensgefährtin Regula Zwicky lebt und werkelt. Ein geniales Pärchen, mit dem meine Kunden auf Wunsch einen Tag zu Künstlern werden, wobei mittäglich sehr gut gekocht wird, Kunst und Kulinarik also.
Zurück zur Kulinarik und damit zu einem weiteren, zentralen Thema der Region, dem Olivenöl. Die vor Ort verkosteten Qualitäten zu fast schon unüblich fairen Preisen sorgen für weitere Programmpunkte der von mir soeben im Entwurfstadium befindlichen Genussreisen für Individualreisende (mehr dazu in Kürze am Portal).
Bucht man eine der von mir während dieser Entdeckungstour ausgesuchten Unterkunft bei Tuscania, wird es Zeit, sich dort des Abends mit einem Glas von Trebottis Rotweinen zurückziehen, womit sich das oben erwähnte „fast“ von selbst erklärt. Out of Africa in der Tuscia, Buona notte mit Fernblick…