Wie letzte Woche berichtet bin ich früh in Donji Milanovac aufgebrochen um das Eiserne Tor quasi durchs Hintertürl wieder zu verlassen. Der interessante Teil endet mit einem Kraftwerk, dem Derdap 1, es war zur Zeit seiner Fertigstellung das größte Laufkraftwerk Europas, danke Tito und Ceausescu ist man beinahe geneigt zu sagen, sauberer Strom, immerhin, und ungefährlicher schiffbar wurde der Donaustrom so auch.
Wie es sich in den allerengsten Abschnitten mit ihren Strudeln und der reißenden Strömung seinerzeit abgespielt hat, kann man sich heutzutage kaum noch vorstellen, erst nachdem das Habsburgerreich noch schnell vor seinem Untergang erste brauchbare Baumaßnahmen vorgenommen hat und den Abschnitt zwischen den beiden „Kazans“,den Kochkesseln, wie die Osmanen die haarigsten Stromschnellen genannt haben, nachhaltig fahrbar gemacht. Man kann sich´s heute gar nicht mehr vorstellen, wie sie damals Ende des 19. Jahrhunderts kilometerlange Kanäle 3 Meter unter dem tiefsten Pegelstand ins Gestein gesprengt haben, ist aber so. Mittlerweile liegt diese technische Meisterleistung noch ein paar Dutzend Meter tiefer unter der Wasseroberfläche, bis zu 70 nämlich, so weit ist´s nämlich bis zum Grund, womit der übrigens ein paar Meter über dem Meeresniveau liegt. Arg!
Es gibt da natürlich auch das eine oder andere Platzerl, von dem man dieses Naturwunder bewundern kann, hat offensichtlich auch dem römischen Kaiser Trajan gut gefallen, der hat gleich eine Brücke bauen und eine Gedenktafel montieren lassen. Drüben bei den Rumänen wacht das malerische Mănăstirea Mraconia sowie das riesige in den Stein gehauene Gesicht von Decebalus, dem letzten König der Dakier, über die Engstelle. Keine Ahnung welche der drei Sehenswürdigkeiten mich daran erinnert hat, aber der aussichtsreiche Zwischenstopp schien es mir angeraten zu sein, den lieben Armin zurückzurufen.
„Hey Dude, bist du eh schon unterwegs“ war sein spontaner Morgengruß. Unterwegs ja, aber wohin eigentlich? Mein beredtes Zögern interpretiert er unverzüglich völlig korrekt, „die Karin hat´s dir nicht gesagt, oder?“ Korrekt. Also jedenfalls nichts, was jetzt sachdienlich gewesen wäre, nicht weiter verwunderlich, wir hatten in letzter Zeit andere Themen. „Ähh, nein, worum wär´s denn gegangen?“ Ich mach´s kurz, hat realiter länger gedauert, ich weiß jetzt immerhin, wie sich die serbische Telekomindustrie finanziert und darf bei der Gelegenheit vor unbedachtem Roaming außerhalb der EU warnen. Die beiden, die Mutter ihres Sohnes und er haben beschlossen, in Griechenland zu heiraten, was Freunde und Familie eh schon wussten, und ich sollte dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen.
„Wir wollen keine religiöse Zeremonie, Standesamt müssen wir sowieso zu Hause machen, aber der Dude könnte uns trauen, finden wir.“ Also die Karin hätt´s gewusst, ich bin eher überrascht, aber durchaus nicht abgeneigt. Wann? „Kein Problem, eh erst am Montag, die Vorbereitungen laufen bereits. Den Bademantel haben wir übrigens auch schon!“ Die haben aber wirklich an alles gedacht, sogar an des Dudes Supermarktbekleidung.
Sie kennen den Dude? Nein?! Dabei war im letzten Artikel eh schon ein Link drin, zum phantastischen Film der Coen Brüder, „The Big Lebowski“. Die Geschichte tut nichts zur Sache, der Hauptdarsteller hingegen sehr, ich schau´ ihm angeblich ähnlich – danke, gerne! – und erachte der Beiden Wunsch als Ehre. Und Auftrag. Is´ ja nicht weit, zum Pilion, nach Kladovo runter, an der bulgarischen Grenze entlang bis nach Nordmazedonien, dann flott durch Makedonien und um den Olymp herum, schon ist man dort. Also quasi ein Katzensprung, zumindest in der Projektion. In Echt ist es ein wenig komplizierter, da hat der gute alte Sinowatz damals voll recht gehabt, weil da muss man mit Urlaubern, Lastwagen und Baustellen rechnen. Und mit eigenen Schwächen, etwa was die Navigation angeht, um nur ein plakatives Beispiel zu bringen. Wobei: im Prinzip geht´s einfach immer genau nach Süden!
Wäre also ganz einfach, wenn der Balkan flach wäre, ist er aber nicht, aux contraire, kreuz und quer durchs Hügelland schlängelt sich die Route, ausgesprochen schön zu fahren, zugegeben, erst recht wenn einer der unzähligen Flüsse sich auch noch einmischt, so ursprüngliche unverbaute Gewässer kennt man in Mitteleuropa kaum noch. Mich hat diesmal die Nišava in die Irre geleitet, die in der Sićevačka klisura alle Stückerln in Sachen Romantik und Wildheit spielt, Wildwasser vom Feinsten, links und rechts steile Felswände bis zum Himmel, oft muss sich der heftige Fernverkehr durch enge Tunnels zwängen. Völlig zu Recht, gehört die Schlucht zu einem Nationalpark, in den Felshöhlen oben an den Hängen haben schon homini erecti gehaust, einem ist angesichts der schönen Aussicht offensichtlich auch die Lade runtergefallen, sein versteinertes Kiefer wurde 2008 gefunden, es dürfte vier- bis fünfhunderttausend Jahre alt sein, ganz ohne Karies.
Der Name des Flusses legt nahe, dass er nach Niš fließt, tut er ja auch, eine Info welche aber nutzlos ist, wenn man nicht weiss, woher er denn kommt. Meine Annahme aus Nordmazedonien war jedenfalls falsch, was ich erst kurz vor Pirot feststellte, jener Stadt, welche auf früheren Hinweisschildern immer mit zusammen BG, Bulgarien notiert und also offensichtlich in der falschen Gegend war.
Immerhin habe ich so noch eine wahrlich märchenhafte Region und weitere schwungvolle Bergstraßen Serbiens kennen gelernt, bevor ich endlich und ziemlich unmittelbar in der Nähe von Kumanovo auf die Autoput bratstva i jedinstva, die Straße der Brüderlichkeit und Einheit traf. Hurra, insbesondere in Mazedonien kann die was, bald nach der Abfahrt zum niedlichen Flughafen von Skopje teilt sie sich nämlich, nach Süden geht’s durchs Tal der Pcinja, wieder so eine Schlucht, wo man Kara Ben Nemsi treffen könnte – aber keinen Gegenverkehr! Und Polizei auch nicht, einfach nicht genügend Platz auf der Bankette, links der Berg, rechts die Schlucht, unten der Fluss, drüben die Bahn, das Tal ist voll und ich reite zügig und glücklich auf der Eldorado meinem Ziel entgegen, hundert Meilen Mazedonien, viel mehr sind´s nicht! Da geht sich sogar noch ein kurzer Stopp in Stobi aus, wegen dem römischen Amphitheater gibt´s dort nämlich eine kleine Snackbar im Schatten mit eigener Autobahnabfahrt, ganz wie damals, als hier die Via Egnatia noch die Via Militaris kreuzte. Salve Consul Quintus Caecillius!
Kurz später kommen auch schon mit die größten mir bekannten Nationalflaggen Europas ins Bild, Mazedonier und Makedonier stehen einander in Nichts nach, nur dass die im Norden stets neu zu sein scheint. Mir völlig egal, ich bin endlich auf der Ethniki Odos, der griechischen Autobahn und somit irgendwie zu Hause, lang genug hier gelebt, um wohlige Heimatgefühle zu spüren. Außerdem steht da das Schild, welches Athen in nur 547 Kilometern Entfernung verspricht, von wo´s 300 nach Volos sind, von hier also, ach was, Sie haben das sicher schon ausgerechnet. Sprich ein bisserl mehr als zwei Stunden und ich bin da! Na ja, dort bin ich dann halt, in der Hauptstadt des Pilion, Heimat der Kentauren, des Vaters von Achill sowie Schauplatz der Schönheitskonkurrenz zwischen Hera, Aphrodite und Helena, welche uns den Trojanischen Krieg und mit Homers Illias eines der herausragendsten literarischen Werke geschenkt hat. Und weil wir grad dabei sind: von Iolkos ist Jason mit seinen Argonauten aufgebrochen, um das Goldene Vlies zu suchen, jenen güldenen Widder der sprechen und fliegen konnte, etwas, was nicht einmal zeitgenössische Politiker von sich behaupten würden. Oder?
Gut Iolkos heißt heute eben Volos, bessere Kleinstadt, was aber noch lange nicht heißt, dass man einfach durchfährt und automatisch auf der richtigen Straße an die Ostküste und nach Damouchari landet. Es gibt nämlich, wie so oft, mehre Wege zum Glück, mache länger an Kilometern, dafür schneller zu bewältigen, mein liebster führt direkt aus der Stadt ohne Umwege via Portaria hinauf in die Berge, konkret nach Chania, ja, gibt´s hier auch. Im Gegensatz zum kretischen findet man jenes am Pilion indem man den Hinweisen zum Schigebiet folgt. Nein, kein Schmäh, war selbst schon ein paar Mal dort Wedeln, herrlicher 270-Grad-Blick über die Ägäis vom Lift, kurz nach dem Scheitelpunkt der Straße in den Osten werden sie die Sessel über sich baumeln sehen. Auf der Karte schaut das übrigens alles ganz nahe aus, ist auch nicht weit, Luftlinie halt, mit der Guzzi bedeutet das zum Schluss der Reise noch großes Vergnügen, herrliches Kurvengeschlängel und, aber das bleibt unter uns: das grandiose Gefühl endloser Freiheit wenn man, ausnahmsweise, den Helm abnimmt und sich die kühle Waldluft um die Nase wehen lässt.
Und erst recht die Meeresbrise! Die Orte an der Ostseite des Pilion liegen, von der durch den erstaunlich dichten Wald schwingenden Landstraße verbunden, recht weit über dem Meer, die längste Zeit waren es Seeräuber, welche den Einheimischen regelmäßig zur Last wurden, dass die wenigsten von ihnen begeisterte Bergsteiger waren, darf als bekannt vorausgesetzt werden. Nur zum Fischfang oder um dringend erwartete Ware von einem Versorgungsschiff zu löschen begaben sich die Menschen ans Ufer. Zu Fuß erst und recht direkt, Kraftfahrzeuge können das nicht, also fährt man nunmehr für die eineinhalb Kilometer hinunter in die Bucht beinahe deren sechs auf asphaltierten Serpentinen und hat dabei stets das Ziel vor Augen, jedenfalls wenn die Fahrbahngerade in die richtige Richtung zeigt. Wobei wenige hundert Meter vor dem anvisierten Hotel Damouchari ein Schild den potentiellen Besucher mit dem, an sich vernünftigen, Spruch, kluge Menschen würden nicht mit dem Auto bis direkt an den Strand fahren, versucht ein schlechtes Gewissen zu machen. Funktioniert bei mir nicht, der Dude wird erwartet, und von ihm ein standesgemäßer Auftritt mit der Guzzi Eldorado beim guten alten Apostolos!
Na ja, alt ist relativ, sogar um eine Woche jünger als ich ist er, wir kennen uns seit etwa zwanzig Jahren, ganz genau weiss man´s nicht. Doch damals war er noch Single, ohne Kinder, mittlerweile hat er eine phantastische Kyria und fünf wohlgeratene Pedia. Und ein Hotel wie´s kein zweites gibt, nicht mal in Griechenland. Der Uropa war Kapitän in der Britischen Handelsmarine, hat gut verdient, so konnte er auch die bildhübsche rumänische Contessa Cleopatra Miramare ehelichen, natürlich nicht ohne ihr standesgemäße Unterkunft zu bieten. Das ihr zugedachte Herrenhaus in der Hafenbucht, am Südhang, damit sie´s im Sommer schön schattig habe, kann als Ursprung der lokalen Beherbergungsindustrie gelten. Nach Cleopatras allzu frühem Ableben hat der Opa ihre Schwester geheiratet, insgesamt ein halbes Dutzend Nachkommen gezeugt, die haben natürlich alle was zum wohnen gebraucht, womit die restlichen historischen Gebäude erklärt wären, mittlerweile auch die im Dienste des Fremdenverkehrs gut genutzt. Die zentrale Taverne steht überhaupt noch länger im Familienbesitz, das Tuckern der Guzzi macht Apostolos auf meine Ankunft aufmerksam, bloßfüßig kommt er aus der Küche, „ela, pou eissouna“, hallo, wo warst du denn, begrüßt er mich ganz ohne Brimborium. Und stellt eines von diesen herrlichen Blechhäferln voll kühlen Weines auf den Tisch. Angekommen!
Ich möchte Sie nicht mit Hochzeitsdetails langweilen, ist doch im Endeffekt immer das Gleiche. Na gut, vielleicht auch nicht, die hier war sicher nicht 08/15, und auch nicht Mamma Mia mäßig, falls sie das dachten, von wegen Griechenland und so. Wobei: tatsächlich waren auch Meryl, Rita, Pierce und Konsorten hier zu Gast, wie lustig sie´s hatten, kann man in den letzten Minuten des Dancing-queen-Songs sehen. Den Steg hätten sie behalten können, doch die Einheimischen wollten ihn nicht, hätte womöglich zu viel Schaulustige und Billigtouristen angelockt.
Sowas will man hier nicht, wäre auch schade, schnell mal Selfie und wieder weg, das sollen sie woanders machen. In Damouchari bleibt man, genießt die Abgeschiedenheit, und, ja warum nicht, heiratet zum Beispiel. Ja, geht so einfach, Bürokratie ist zwar ein griechisches Wort, aber wie alles hier ausgesprochen flexibel. Die eigentliche Instanz hier ist immer noch der Geist von Cleopatra Miramare und das ist ein freier! Das sehen Sie aber sowieso an den Bildern, und die Eldorado passt da bestens dazu. Moto Guzzi war ja nie die Marke für Konformisten, der Reisenden dafür umso mehr, und ich kann Ihnen nur empfehlen: tun sie´s auch! Fahren sie nach Damouchari, mit der Guzzi, zu Apostoli, und genießen. Die Reise, den Ort, das Essen, natürlich das kristallklare Meer und wasweissich wen oder was noch. Aber machen sie´s mit der Guzzi!