Ich habe mir den neuen Fiat 500 Elettrica ja bereits Ende letzten Jahres zur Brust genommen, bin aber wieder in alte Gewohnheiten verfallen, habe Diesel getankt und die Zukunft Zukunft sein lassen. Die Zukunft schreitet aber schneller voran, als ich graue Haare zählen kann und so mache ich einen neuen Anlauf, diesmal aber eine ganze Woche mit dem neuen Fiat 500 Elettrica la Prima in Ocean Green, einer Farbe zum niederknien.
Je nach Lichteinfall changiert der funkelnde Lack in blau oder auch grün, ein elegantes Chameleon, schick kontrastiert mit creme-weißem Gestühl und absoluter Vollausstattung, die den la Prima zur ökologisch-urbanen Luxuskarosse machen. Stämmig steht er da, auf seinen 17 Zöllern, etwas größer und erwachsener als der Cinquecento classico, aber der Elettrica spielt auch in einer ganz anderen Liga als sein älterer Bruder.
Der Nuovo Cinquecento ist der Einstieg von Fiat in die neue Zukunft der Mobilität, ein ästethisches, aber vor allem technologisches Statement von Fiat, ein Markstein in der 122jährigen Geschichte. Gegründet Ende des 19 Jahrhunderts, wird Fiat auch im 21 Jahrhundert ein italienisches Wort mitreden, auch wenn der Konzern jetzt Stellantis heißt.
Technik des Fiat 500 Elettrica
Der Fiat 500 Elettrica ist mit seinen 1365kg trotz des Elektroantriebs mit einer 42kWh Lithium-Ionen Batterien immer noch ein leichtfüßiger Italiener, unterstützt wird dieses Gefühl von einer sehr leichtgängigen Lenkung und einem geradezu lächerlichen Wendekreis von 9,7m. In Kombination mit dem niedrigen Schwerpunkt und dem ausgesprochen kräftigen 118 PS (Spitzenleistung) Motors mit 220 Nm Drehmoment (ab null Umdrehungen!) kommt ein gewisses Gefühl der Sportlichkeit auf. Man genießt hervorragende Übersicht, Lenkimpulse werden sofort in Richtungsänderungen umgesetzt und der Motor schiebt fast lautlos an, wenn man einmal seine Hemmung überwunden hat, auf das Gas-, halt, Elektropedal zu treten. Und hört man genau hin, spielt eine italienische Kapelle bei 20km/h Melodien aus Fellinis Amacord. Nessun scherzo.
Weiter geht es dann ohne Fellini in 9 Sekunden auf 100 km/h und dann fröhlich bis 150, wo die Elektronik dem Divertimento ein Ende bereitet. Ich darf an dieser Stelle an unsere Freunde von Abarth appellieren, die Generatoren anzuwerfen und über einen Abarth 595 Elettrica nachzudenken. Vielleicht mit Gianna Nannini bei 180!
Bevor ich aber zur Elektronik kommen, ein Wort zur Kommandozentrale des Menschen. Ja, man muss mit einem elektrischen Fahrzeug umdenken. Man muss sein Hirn umprogrammieren und das Wort „Reichweite“ streichen. Nicht, weil diese nicht vorhanden wäre (dazu später), vielmehr um den Spaß und die Freude in den Vordergrund zu rücken.
Der Fiat 500 Elettrica macht nämlich wirklich Spaß, wenn man nicht dauernd daran denkt, wo man eventuell Strom zapfen könnte. Insbesondere im sogenannten Range Mode, also im Rekuperationsmodus, der ein fast 100% One-Pedal-Driving erlaubt! Man beschleunigt und bremst das Fahrzeug also fast ausschließlich mit dem Elektromodulator an der rechten Seite (aka. Gaspedal), was mit ein wenig Übung hervorragend gelingt. Anfangs habe ich die Rekuperation noch unterschätzt, denn die Bremswirkung beim Laden der Batterien über den Elektromotor, der in diesem Fall als Generator fungiert, ist enorm. Nach ein paar Stunden gelingt aber jede Landung perfekt. Bremsen werden nur für Notsituationen benötigt, was den Verschleiß und notabene die Geldbörse schont.
Alternative Modi sind Normal, also fahren ohne Rekuperation, und Sherpa. Der normale Modus erlaubt fahren wie mit einem Verbrenner, also auch das Rollen des Fahrzeugs, das so genannte Segeln. Die Wahl des Anfängers, die spätestens nach einer Viertelstunde revidiert und in One-Pedal gewandelt wird. Sherpa benötigt man, wenn man es schwer übertrieben hat und die Reichweite gegen null tendiert. Alle Systeme werden verbrauchsoptimiert und der Sherpa schleppt Dich wie Tenzing Norgay zur nächsten Steckdose.
Und da ist sie, die Steckdose. Das Nitty Gritty der Elektromobilität, der Schrecken jedes Gasfußes. Ich habe mir den Fiat 500 Elettrica genau deshalb eine Woche auserbeten, um diesen Schrecken zu erleben. Allein, er trat nie ein. Mein Verbrauch in der Stadt betrug 12,2 kWh auf 100km, was die elektrische Ladung nur sehr langsam sinken ließ. Die offizielle Reichweiten-Angabe des Cinquecento lautet 310km im kombinierten Betrieb bei einem Durchschnittsverbrauch von 13,3 kWh pro 100km.
Liest sich bizarr, aber je mehr Stadtkilometer, desto sparsamer. Fiat gibt als maximale Reichweite in der Stadt bis zu 458km an. Des Rätsels Lösung ist natürlich die Rekuperation in der Stadt, die bei gleichmäßiger Fahrt auf der Autobahn nicht gegeben ist. Grob über den Daumen gerechnet, muss man also einmal in der Woche bei Stadtnutzung an den Strom und Wien-Salzburg schafft man mit einem Stop.
Die Tage vergingen also, und ich musste immer noch keinen Strom fassen, was mein Testkonzept irgendwie ad absurdum führte. Ich musste nicht, aber ich wollte unbedingt Strom tanken, denn darum ging es ja irgendwie.
Laden des Fiat 500 Elettrica
Der Fiat 500 Elettrica kann auf unterschiedliche Art und Weise aufgeladen werden.
Version 1: Die häusliche Steckdose. Der Strom rinnt zwar nur sehr langsam mit 3,7 kW pro Stunde, aber diese Methode schont den Akku des Fahrzeuges maximal, denn es gilt: Je langsamer geladen wird, desto schonender für den Akku. Die Akkuladezeit vom 0 auf 100 wäre also in diesem Fall rund 11 Stunden. Denkbar ist diese Methode, wenn man räumlich die Möglichkeiten hat, also Garagenbesitzer ist oder ein Kabel bis zum Cinquecento legen kann. Zusatzeffekt: Der Strom ist in der Nacht ist sehr billig. Funktioniert hat es bei mir allerdings nicht, was ich auf das schon etwas lädierte Verlängerungskabel zurückführe. Eine solche Variante sollte also nur mit einer Wallbox in Betracht gezogen werden, die fachmännisch verbaut werden muss, aber auch von Gemeinden oder Ländern gefördert wird.
Variante 2: Elektrotankstellen. Knackpunkt der Ladestationen ist die Ladegeschwindigkeit und die Frage, wie abgerechnet wird. Als absoluter Newbie im ersten Praxistest entpuppen sich Tarife und Zahlungsmöglichkeiten als großes Wirrwarr. Mit Vertrag, ohne Vertrag, Grundgeführ oder keine, 1000 Fragen im Dschungel der Anbieter. Als Beispiel führe ich hier nochmals die Wien Energie an, die exemplarisch die Möglichkeiten bezüglich Geschwindigkeit und Tarifen auflistet.
An Parkplätzen in Wien mit Stromanschluss tankt man mit 11kWh Geschwindigkeit, benötigt hierzu aber einen Vertrag, um an eine Ladekarte zu gelangen. Sicher eine gute Variante, aber untauglich für meinen Test. Da lockt der Billa Parkplatz mit einer eigenen Stromtankstelle von Smatrics von schon viel mehr. Das Prozedere ist einfach: Anmeldung via Internet, Hinterlegung einer Kreditkarte, Bestätigung per Mail und Download der App. Das Fahrzeug wird geparkt, das Ladekabel der Anlage angesteckt, der QR Code gescannt, und la voila, der Strom rauscht ins Fahrzeug. Ladezeiten und alle Daten können am Mobile verfolgt und der Ladevorgang auch abgeschlossen werden. Ist man dann fertig, erhält man die Rechnung in der App und per Mail. Ich habe an dieser Anlage mit 43kW geladen, was also rund eine Dreiviertelstunde für eine Vollladung bedeutet hätte.
Der Fiat 500 Elettrica verträgt aber 85 kW Ladeleistung und lädt generell im Vergleich zu anderen Fabrikaten sehr schnell und konstant, was defacto eine Halbierung der Ladezeit bedeutet, sofern eine geeignete Ladestation zur Verfügung steht. Es geht also ein wenig um Planung und Know-How, welches sich der glückliche Besitzer eines Fiat 500 Elettrica anzueignen hat. Meine Beschreibung der Lademöglichkeiten sind sicher nur ein Ausschnitt und haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich würde mich aber über Tipps und Tricks von erfahrenen Elektromobilisten freuen.
Conclusio des Ladexperiments: Niemand muss sich fürchten. Weder in Bezug auf Reichweite, noch in Bezug auf das Handling der Ladestationen.
Fazit Cinquecento Elettrica
Nach einer Woche mit dem 500er steige ich wieder in meinen Turbodiesel und sinniere über die Frage, ob der Cinquecento mein nächstes Fahrzeug sein könnte und überraschender Weise muss ich diese Frage mit Ja beantworten. Fahrtechnisch überzeugt mich der Fiat absolut, insbesondere natürlich in der Stadt und auch im Umland auf Stadtautobahnen und Landstraßen. Der Fiat 500 Elettrica ist kein fauler Kompromiss, sondern ein ganz feines und freudvolles Automobil, das sogar mit einer gewissen Sportlichkeit glänzt.
Natürlich ist die Langstrecke Thema, aber wie ausführlich beschrieben, ist das Nachladen keine Hexerei. Startet man vollgeladen in Wien, wird man irgendwo im Raum St.Valentin nochmals auf 80% nachladen, was je nach Anbieter und Ladegeschwindkeit rund 20 Minuten in Anspruch nehmen würde. Zeit für einen Espresso und andere Notwendigkeiten.
Worüber wir natürlich reden müssen ist der Preis. Der Fiat 500 Elettrica la Prima wie getestet steht mit knackigen EUR 34.990.- in der Preisliste. Erhältlich ist der neue Cinquecento aber bereits ab EUR 26.790.- als Action, dann aber mit 23,8 kWh Akku und 95 PS Spitzenleistung. Sicher nicht meine Wahl, weil man sich auch Elektriker das volle Programm gönnen sollte!
Von allen Preisen müssen aber die jeweils möglichen Förderungen abgezogen werden, was den Fiat dann schon etwas volkstümlicher dastehen lässt. Besonders interessant ist aber der Vorsteuerabzug von 20% für UnternehmerInnen, der den Fiat 500 Elettrica als Firmenfahrzeug interessant macht. Durchrechnen und staunen, denn der la Prima steht dann plötzlich für geschätzte EUR 24.000.- oder darunter vor der Türe, andere Varianten noch günstiger.
Ich bin jedenfalls als benzingetränkter Skeptiker restlos von Cinquecento überzeugt und kann jedem nur empfehlen, eine Testfahrt zu buchen.
Danke für die freundliche Kooperation mit Denzel.
*Verlinkungen zu Stromanbietern sind willkürlich gewählte praktische Beispiele
Meine Tante sucht zur Zeit ein neuen Fiat. Sie findet ein Elektroauto wirklich gut. Ich werde ihr diese Seite mal Empfehlen. Hoffentlich findet sie einen geeigneten Fiat Händler.