Venedig. Eine Liebeserklärung. Oder auch – Frau Ursula isst.

Venedig Ursula Riegler for mipiace.at

Venedig gemeinsam mit den Passagieren von fünf großen Kreuzfahrtschiffen zu besuchen, ist grundsätzlich keine gute Idee. Die schlechte Nachricht: Man hat wenig Einfluss darauf. Das Schöne daran: Die sind abends alle wieder weg, die Stadt wird leer und man erlebt ein Venedig, wie man es sich wahrscheinlich vorstellt, bevor man zum ersten Mal hier ankommt. Oder insgeheim wünscht. Leer.

Venedig hat mich vor rund zwanzig Jahren gewonnen und nicht mehr losgelassen. Mein Bruder hat für seine Diplomarbeit zu Luigi Nono hier geforscht, und die wenigen Monaten waren uns Grund genug, gleich mehrere Male zum Besuch anzureisen. Die Aufenthalte seither unterscheiden sich in Ablauf und Anreise (ich empfehle den Flug von Wien zum Flughafen Marco Polo , der Landeanflug auf die Lagune ist unbeschreiblich), eines haben sie alle gemeinsam: Es geht immer um gutes Essen, eine nette Bar für den Aperitivo davor zu entdecken. Und darum, sich Einzulassen auf Tempo und Stimmung der Stadt abseits der Tagestouristen.

Sollte man nicht fliegen, lässt man das Auto im Parkhaus am Piazzale Roma stehen, kauft sich ein 48-Stunden-Vaporetto-Ticket und fährt mit der Linie 1 oder 2 Richtung San Marco. Wohnen in Venedig ist sagenhaft teuer, aber es gibt immer wieder Glücksgriffe, meine habe ich immer über booking.com gefunden. In den letzten beiden Jahren waren das die City Apartments San Marco.

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Einmal in einem kleinen Palazzo hinter San Zaccharia, mit eigener Terrasse am Kanal. Einmal 50 Meter ums Eck von Harry‘s Bar. Klein und dafür nicht ganz billig, aber in einer unbezahlbaren Lage und – beinahe noch wichtiger – mit einer kleinen Bar im Haus – Bar Piccolo Martini. Ausgezeichneter Espresso, feine Panini und der netteste Kellner worldwide, der uns am Sonntag unser Gepäck in seiner Wohnung aufbewahrt hat. Große Empfehlung!

Freitag abend, nach einer relativ anstrengenden Autofahrt, schmeißt man den Koffer ins Appartement und verlässt dieses sofort wieder, um am Campo San Barnaba in der Bar Ai Artisti den ersten Campari zu trinken und anzukommen.

In der Osteria Al Bitta ums Eck wirds recht eng, aber es zahlt sich aus. Die Gnocchi sind unschlagbar. Den Drink nimmt man hier selten im Lokal, in dem man isst. Und ein kleiner Spaziergang durch die mittlerweile sehr ruhige Stadt ist ohnehin das beste, was man tun kann. Weil man Venedig nach dem ersten Wirbel auf einmal ganz anders erlebt. Leere Gassen, Stille, unterwegs sind Einheimische oder Gäste, die die Stadt spüren und sich auf sie einlassen, ohne mit iPhone, Selfiestick und Kamera durchzufräsen.

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Und diese Stimmug ist auch „Schuld“ daran, dass ich dieses Mal etwas gemacht habe, was mir die vergangenen Jahre nicht in den Sinn gekommen wäre. Einen feinen und erstaunlicherweise leistbaren Wein in der letzten Tischreihe des Cafe Florian auf der Piazza San Marco mit Blick auf Dom und Campanile zu trinken. Und Wein trinken heißt hier nicht: Flasche, zwei Gläser, Wasser, noch zwei Gläser. Wein trinken heißt hier, ein Tischfüllendes Tablett mit Oliven, Chips und ganz viel anderem netten Zeug zu bekommen. Es wäre nicht Venedig, würde Essen und Trinken nicht zelebriert. Und – man kann zum richtigen Zeitpunkt und mit der nötigen Gelassenheit auch an sehr touristischen Orten Genuss empfinden.

Untertags etwa auch in der Bar Gelateria Al Todaro ums Eck vom Florian, ein Campari wird hier ähnlich aufgekranzt wie die oben beschriebene Flasche Wein. Und der Blick auf die Gondeln und nach San Giorgio Maggiore entschädigt für den Preis. Oder auch die vorhin erwähnte Harry‘s Bar . Touristen Hotspot und damit eigentlich nicht auszuhalten. Außer man taucht hier aufgedirndlt wie nur was auf und wird von sämtlichen anwesenden Kellner mit allen Häppchen, die die Küche hergibt, versorgt, als hätte man die letzten drei Wochen einsam im Wald verbracht. Ungefragt. Entzückend. Überraschend. Rührend. Und versöhnt einen mit dem Bellini, den man vor Jahren um zu viel Geld mit zu vielen Japanern hier getrunken hat.

Wird der Trubel untertags zu viel – und das ist eigentlich fast immer so -, empfehle ich, Haken zu schlagen. Einmal ums Eck, um man geht alleine durch die Gassen, das funktioniert in ganz Venedig. Und man entdeckt wunderbare Orte wie die Basilica Santi Giovanni e Paolo, das jüdische Ghetto oder auf der Giudecca die Bäckerei Majer mit herrlicher Jause und ausgezeichnetem Espresso.

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Abends nehmen wir unseren Aperitivo im kleinen, feinen Garten des Ristorante Vinaria mit Blick auf den Trubel um die Rialtobrücke. Keine fünf Meter entfernt schieben sich Touristengruppen, Selfiesticks und Gondeln vorbei, man selbst sitzt in absoluter Stille. Von dieser muss man sich in der Trattoria alla Madonna ein wenig verabschieden. Es zahlt sich dennoch aus, die eher touristischen Gäste, die gefühlt im Halbstundentakt wechseln, und die mehrsprachigen Speisekarten auszublenden. Denn das Essen ist fantastisch. Und lädt ebenfalls zu einem herrlichen Verdauungsspaziergang zur Fondamenta Misericordia ins Paradiso Perduto. Auch wenn das mittlerweile leider zu viele erkannt haben und der Drink auf der Sitzbank vor dem Lokal dieses Mal wirklich hart erkämpft war – ein Besuch zahlt sich immer aus. Mit einem Campari in der Hand lassen sich auch die hier besonders störenden Massen gut aushalten.

Und wer jetzt ein wenig Sehnsucht nach Venedig bekommen hat – alle folgenden Restaurants, Bars und Orte hatten an diesem Wochenende keinen Platz, machen aber zusammen das aus, was mich zumindest einmal jedes Jahr nach Venedig zurückkommen lässt:

Trattoria Altanella – die besten „Nero di Seppia“ aller Zeiten und eine bezaubernde Terrasse

Campo Santo Stefano – fein für einen Mittagssnack und ums Eck die Möglichkeit, die Nicht-kitschige Variante von Murano Glas zu kaufen

Mercato di Rialto – der Fischmarkt selbst, die Lokale ums Eck direkt am Canal Grande und ein Steh-Espresso am Weg zur Trattoria alla Madonna

Fondaco dei Tedeschi – sauteuer, aber es lohnt sich, diesen wunderbar restaurierten Palazzo zu besuchen.

Traghetto – um zwei Euro mit einer Gondel über den Canal Grande übersetzen

Bar Americano am Campo San Marco – immer gut für einen schnellen Steh-Espresso. Oder spätnachts für einen Steh-Campari

Bar alla Toletta in Dorsoduro – Tramezzini-Himmel

Fondamenta Nani – Bei Al Bottegon Parmesan und Prosciutto jausnen und ein Stück weiter unten mit Tausenden anderen die wunderbare Gondelwerft fotografieren.

Biennale 2017 und damit 2019 wieder die Kunstvariante der Biennale – Zeit nehmen und idealerweise auf mehrere Besuche aufteilen. 2018 gibts bis November die Architektur-Ausgabe der Biennale zu sehen.

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