Klingt aufs Erste mal ausgesprochen widersinnig, wenn eine Urlaubsdestination in den Alpen ein Motorradteam sponsert, welches in der Weltmeisterschaft mitfährt. Erst recht, wenn es sich ums Trentino handelt, eine Alpenregion, die ja eher für relaxte Entspannung in unberührter Natur steht. Aber für uns motorisiert Reisende eben auch für kurvige Pässe und rasante Touren. Weil aber die Trientiner die italienischen Geschwister der deutschsprachigen Südtiroler sind und sich da schnell mal eine freundschaftliche Verbindung in den Motorsport findet, ist man beim Gresini Racing Team gelandet, welches nicht nur als Werksteam von Aprilia in der MotoGP Weltmeisterschaft mitkämpft, sondern auch gleich in die heuer erstmals ausgerichtete Moto E Serie eingestiegen ist.
Grund genug, MiPiace und ein paar weitere Freunde des Trentino zur Österreichischen Runde der MotoGP auf den Red Bull Ring einzuladen und mit berechtigtem Stolz die Kooperation mit Gresini zu präsentieren. Selbst der Verbindungsmann, welcher uns in Empfang nimmt, trägt einen passenden Namen, es ist nämlich Signor Rossi der uns empfängt. Gut, nicht der Dottore, aber immerhin. Er schleust uns unter der Rennstrecke durch in hinter die Boxen, wo die Teams ihre Sattelschlepper zu Wagenburgen aufgebaut haben. Einerseits jene voller Techniker und Ersatzteile direkt hinter den Boxen, Argusaugen wachen darüber, dass ja niemand den Ingenieuren bei den letzten Feineinstellungen auf die Finger schauen kann.
Ist aber ohnehin sehr entspannt hier, man kann herumspazieren, Bernie Ecclestone – was macht der eigentlich hier? – die Hand schütteln, Alex Hofmann beim Interviewen zuschauen, nur rund um die Yamaha Trucks staut es sich, Valentino ist und bleibt der Superstar der MotoGP Szene. Das Einzige, worauf man hier in den Kulissen wirklich aufpassen muss, sind die flinken kleinen e-Roller, mit denen Rennfahrer in letzter Sekunde zum Start zischen oder dienstbare Geister neue Lederkombis und Reifen aus irgendwelchen woanders am Gelände geparkten Autos holen, das Infield platzt nämlich aus allen Nähten, wenn die MotoGP mit all ihren 4 Klassen in der Steiermark gastiert.
Daran nicht ganz unschuldig sind die sogenannten Hospitalities der Teams, an ihrer Größe lässt sich die Bedeutung des Teams ablesen, Gresini landet zwar deutlich hinter Honda und Yamaha, mit Ducati gleich daneben kann man aber trotz deren deutscher Finanzpower locker mithalten. Der zweistöckige Aufenthaltsraum ist angenehm kühl, draussen hat es nämlich trotz steirischer Bergwälder ringsum schon um zehn Uhr Früh 30 Grad, schweißtreibend, vor allem, wenn man standesgemäß über Phyrn und Schoberpaß und mit einer Aprilia angereist und sicherheitshalber in Leder gekleidet ist. Netterweise darf ich meine Panier in einem Kästchen im Chefbüro verstauen, aus welchem die Mannschaft von Carlo Merlini, dem Commercial & Marketing Manager von Aprilia Racing Team Gresini , was ihn zum Ansprechpartner für alle Sponsoren und deren Gäste macht.
Ein Job, den er auch im Stress des Rennwochenendes mit Grandezza erledigt, umsichtig führt er Besucher in die Geheimisse des Boxenlebens ein, organisiert die richtigen Gesprächspartner und Zutrittsberechtigungen. Gleich nach dem Mittagessen – grandios, italienisch, frisch, natürlich mit trentinischen, venezianischen und emilianischen Produkten. So sind alle zufrieden, von den Sponsoren über Signor Gressini bis zum Hersteller. immerhin sitzt Aprilia in Noale mitten im Spumanteland – und so werden mit einem Super Pole genannten Zeittraining die Startplätze ermittelt und gebührend mit Spumante gefeiert.
Jetzt kommen die beiden Piloten gerade vom freien Training, durchaus zufrieden mit ihrer Performance. „Ich beginne schön langsam zu verstehen, wie man das Bike fahren muss“, versucht Lorenzo Savadori ein wenig Einblick in die Besonderheiten des E-Motorrades zu bieten „ich komme ja vom Superbike, da wird ganz hart gebremst, eingelenkt und wieder Vollgas gegeben. Jetzt muss ich ganz rund fahren, da haben die Jungen wie Matteo einen Vorteil, die kennen die Fahrweise von den kleinen Klassen!“ Klingt logisch, wenn das Fahrzeug 280 Kilo auf die Waage bringt sollte man möglichst viel Schwung durch die Kurven mitnehmen.
Was allerdings gerade auf einem Kurs wie hier am Spielberg leichter gesagt als getan ist, Andrea Iannone hat gerade berichtet, dass man sich in der großen Klasse fragt, wie die Bremsen diese Belastungen wohl wegstecken werden, er persönlich macht sich Sorgen, ob die Motorleistung reicht, um an den Chefs dranzubleiben. „Nein, das Bremsen ist kein Problem, ganz im Gegenteil“ macht E-Moto Cheftechniker Giuseppe De Gruttola auf eine Besonderheit der Energica Fahrzeuge aufmerksam, „die Energie rekuperieren wir, das heißt, wir verwenden die Energie, welche wir beim Bremsen gewinne gleich wieder zum Beschleunigen!“ Ach ja, genau, einen Vorteil haben die Geräte schon mal ganz sicher gegenüber den Verbrennern.
Hier wäre jetzt mal die Gelegenheit kurz etwas über die Meinung des Grand Prix Zirkus über die neue Klasse unterzubringen. Ohne drumrum zu reden: die meisten mögen sie nicht. Und ich stehe nicht an, zu gestehen, mir ging es anfangs ganz genau so. Wozu das ganze, fragt man sich, kann man nicht des Vergnügens wegen ein paar Liter Sprit verbrennen und dafür im Alltag damit aufhören, jeden noch so unnötigen Kilometer mit dem Auto zu fahren?
Da wär doch viel mehr zu holen, zehntausende Pendler jeden Morgen rund um Wien vom Auto gleich in die Bim, das wär´ doch was. Für die Umwelt sowieso, aber auch jeder und jede einzelne würde wohl entspannter ankommen. Und so ein komisches Theater wie die Formel E mit ihren nach Zahnarzt und Modellautobahn klingenden Transformer Boliden könnte man sich sparen. Ja, eh.
Aber nachdem ich Lorenzo, Matteo und ihrem Team ein Wochenende lang zusehen durfte, habe ich meine Meinung geändert. Und stimme Carlo zu, der meint „als zusätzliche Klasse in der MotoGP ist es auf jeden Fall eine Bereicherung. Und es ist besser, wir machen das gleich selber, bevor sich die Szene zu sehr aufsplittert. Und dafür, dass wir hier erst das dritte Rennwochenende haben, machen wir uns, wie ich meine, wirklich nicht schlecht!“
Wobei er da die gesamte Moto E Meisterschaft meint, aber auch sein Team schlägt sich wacker, Matteo ist mit Startplatz sieben sehr zufrieden, „wir haben den Anschluss gefunden, sind viel näher an der Spitze als bisher“, während Lorenzo hadert. „Wir sind noch immer am probieren, diesmal habe ich mich für ein falsches Setup entschieden, wird schwierig werden morgen von so weit hinten!“ Wie schmal der Grat ist, auf dem man die Energica bewegen muss, um schnell zu sein, haben wir im Zeittraining beobachten können.
Wir durften mit einem Aprilia Roller auf der Service Road hinauf zur Kurve 3, jener engen Haarnadel am Scheitelpunkt des Kurses, auf die man mit Vollgas, ähh, Vollstrom beinahe 280 Km/h schnell zurast. Und dann auf 70 abbremsen und umlegen muss, mit insgesamt 350 entfesselten Kilos. Die Maschinen kommen wie der Schnellzug daher geschossen, auch akustisch, durch die Kurve werden die gleichen Schräglagen gefahren wie in der MotoGP, das heißt etwas über 30 Grad von der Horizontalen Fahrbahn aus gemessen.
Wenn alles gut geht. tut es aber nicht immer, zumal die Kurve überhöht ist und manch einer sich dann doch verschätzt. Passiert bei den Benzingeräten auch, die haben aber weniger Masse, lässt sich also leichter wieder auf Kurs bringen. Die Energica hingegen verliert schlagartig die Haftung, knallt unüberhörbar auf die Fahrbahn, schlittert dank hoher kinetischer Energie weit ins Kiesbett und wehrt sich dort erfolgreich gegen Bergungsversuche des Piloten. Es braucht dann schon sechs starke steirische Streckenposten um sie wieder auf den rechten Weg zu bringen.
Unsere beiden mussten ihre Kräfte erst gar nicht unter Beweis stellen, obwohl sie, wie sie beim Abendessen in der Hospitality erzählen, durchaus austrainiert wären. „Wir haben dank unseres Sponsors tolle Trainingseinheiten im Trentino absolviert, sind am Gardasee gesegelt, rundherum geradelt, sogar erstmals in unserem Leben senkrechte Felswände hinaufgeklettert“ erzählen sie artig von ihrem Spezialprogramm. „Und sind mit straßenzugelassenen Energicas durch die Berge gecruised, eine faszinierende Erfahrung!“ Die wir übrigens auch zu machen planen, mehr dazu, wenn der Importeur mitspielt.
Doch erst mal gilt es das Rennen zu fahren, den Austrian Grand Prix, der bei den Motorrädern auch elektrisch so heißen darf. Und da gibt´s gleich mal eine Überraschung, als wir um halbneun am Ring eintreffen, macht der Nieselregen keine Anstalten sich zu verziehen. Wie sich die Elektrische denn auf nasser Fahrbahn anfühle frage ich Matteo kurz vor dem Start. „Keine Ahnung“, erwidert er, „keiner von uns ist je bei Regen gefahren! Aber nach der ersten Besichtigungsrunde kann ich bestätigen, dass dein Vergleich ziemlich passend ist: in der ersten Kurve fühlt man sich, wie wenn man auf einem rasenden Kühlschrank mit 160 PS abbiegen wollte!“
So schlimm dürfte es dann doch nicht gewesen sein, beide Trentino Gresini MotoE Piloten haben sich im laufe des Rennens nach vorne gearbeitet, hätte Matteo sich nicht einen kleinen Linienfehler in der letzten Runde geleistet, wäre er sogar am Podium gestanden. Und Lorenzo ist mit seinem Top Ten Ergebnis auch nicht unzufrieden, „es geht bergauf, mein bestes Ergebnis bisher, mehr ist bei einem Sechs-Runden-Rennen nicht drin“, vielleicht hilft ja auch noch ein bisserl Training auf trentinischen Bergstraßen. Und nächstes Jahr kann man dann schon auf Erfahrungswerte bauen, auch die Reichweite dürfte rasch steigen, die Rennen länger werden. Tatsache ist, dass die Moto E durchaus spannenden Motorsport bietet, halt ohne die hypnotisierende Geräuschkulisse, aber das ist sowieso Geschmackssache.
Nicht abgehen wird uns der Lärm in den Bergen des Trentino. Ist doch fein, wenn sich Motorradfahrer im gleichen Tal wie Wanderer vergnügen können, man trifft sich dann im Wirtshaus und freut sich. Weil kochen können sie auch nicht schlecht, die Trientiner. Sagen jedenfalls unsere beiden Piloten, und die sind von der Gresini Hospitality wirklich verwöhnt. Und eigentlich wirken sie auch recht vertrauenswürdig, ich denke aber, wir werden uns trotzdem persönlich von den Vorzügen des Trentino überzeugen. Kulinarisch, landschaftlich und natürlich elektrisch!