Nachdem sich am feuchtfröhlichen Wochenende der Presidente und Giuseppe ganz vorbildlich um uns gekümmert haben, stehen am Montag in der Früh schon zwei neue Herren vom Vespa Club Pordenone unter dem schmalen Vordach des Best Western Park Hotel bereit. Wieder in der offensichtlich üblichen Kombination, Flaviao Batistella mit einer 300er Vespa, Franco Diana ist von seiner PX nicht zu trennen, alte Schule quasi. Wir probieren es mal wieder ohne schwere Gummikleidung, schaut gar nicht so schlecht aus heute, allein: nach 10 Kilometern bremsen wir uns mehr oder weniger panisch in einer Bushaltestelle ein, heftiger Schauer, Kunststoffkleidung ist die Wahl der Stunde. (Wieder mal!)
Erster Programmpunkt ist heute das Museum „Arte fabbrile e delle Coltellerie“ in Maniago. Es ist der Schmiedekunst und der Messerherstellung gewidmet, die hier in Maniago einst Weltklasseniveau hatte, erst in Heimarbeit, später hat ein gewisser Herr Marx hier mit einer Fabrik das Handwerk zur Industrie konzentriert. Das Museum nutzt eine der alten Hallen, schöner Ziegelbau typisch italienisch adaptiert, die Ausstellung spielt alle didaktischen Stückerln. Man sieht eindrücklich den Weg des Werkstücks vom unförmigen Eisentrumm über den Rohling, der von der Form her das beabsichtigte Endprodukt schon unverkennbar in sich trägt, bis zur hochglänzenden fertigen Klinge.
Und zwar jeweils im Rahmen eines lebensgroßen Dioramas, von den kleinteiligen Anfängen im Wohnhaus über Manufakturen bis zur Serienproduktion in eben dieser Fabrik. Dass die besten Zeiten für Qualitätsprodukte aus Europa auch hier schon eher in der Vergangenheit liegen, erfährt man natürlich auch, die sensationellen kleinen Scheren, derentwegen ich persönlich das Schweizermesser so schätze, wurde beispielsweise hier hergestellt, jetzt nicht mehr. Hätte ich´s nur früher erfahren, die Produktion hätte vielleicht noch ein, zwei Minuten länger laufen können.
Auch am Wochenmarkt, den wir das Glück haben, besuchen zu können, werden die Messer verkauft und viel mehr noch benutzt. Riesige Käselaibe aus dem gesamten Friaul werden dort feilgeboten, Wurst und Schinken sowieso, San Daniele ist nicht weit, sogar frisches Gemüse haben die fleißigen Bauern noch aus der nassen Erde bergen können. Und Wein natürlich, spumante oder fermo, Friulano, Malvasia, Picolit, Schiopettino oder Tazzelenghe, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, da merkt man gleich wo man ist. In den Colli Friulani Orientali , wie der Trinker die Region nennt, geschützte Ursprungsbezeichnung und trinkanimierende Versprechung für Genießer.
Tazzelengeh und Cabernet gedeiht auch beim Conte d´Attimis-Maniago ganz vorzüglich, allerdings auf den Ländereien in Buttrio, der Palazzo dominiert aber noch immer den Hauptplatz. Die Attimis, oder Attems, wie wir sie altösterreichisch nennen wollen, haben zwar die erste Flasche ihres Weins erst 1930 abgefüllt, sind aber nicht neu im Friaul, ganz im Gegenteil. Im steten Einvernehmen mit den Grafen von Görz und den Erzbischöfen von Aquilaeia, jenem Kirchenstaat der sich auf den Hl. Markus berufend quasi als Konkursverwalter des Römischen Reichs mit der Verwaltung und Verteilung der Provinz Norikum beschäftigte, gehören sie wohl zu den ältesten Familien des Friaul, Aborigines quasi.
Ihren Palazzo d´Attimis-Maniago haben sie, nachdem die Burg am Berg wegen eines Erdbebens im 15. Jahrhundert nicht mehr standesgemäß war, unten im Ort als autarkes System aufgebaut. Frischer Fisch kam aus den beiden Becken, Obst und Gemüse aus dem Garten, an Fleisch dürfte es auch nie gemangelt haben, die riesige Küche ist noch im originalzustand zu besichtigen, auch Zentralheizung war selbstverständlich. Ganz anders als oben in Poffabro wohin die Reise als nächstes geht. Schaut schon recht karg aus, wenn man hinaufschaut, jetzt, beim soeben einsetzenden heftigen Regen, wirkt das enge Tal gleich noch mal abweisender. Man sollte sich aber nicht abhalten lassen, erst mal angekommen ist man wie verzaubert.
Rund um den Kirchplatz, der wie ein Balkon Ausblicke in das engen Tal bietet, drängen sich dicht hohe, schmale Steinhäuser, beinahe treffen sich die hölzernen Außentreppen und Balkone über den Gassen. Leicht war´s sicher nicht, hier sein Auskommen zu finden, das „fabbro“ im Namen erklärt, dass man die Wasserkraft des Baches fürs Schmieden nutzte. Und in den Wintermonaten hat man wohl stets geflochten, die Körbe von Poffabro sind weit hinaus in die friulanische Ebene bekannt und beliebt. Geschicklichkeit dürfte hier in der Gegend das Geheiminis des Erfolgs sein, ein Stück weiter unten, in Frisanco zeigt das Museum „Da lis Mans di Carlin“ ein besonders schönes Beispiel dafür, außerdem lernt man die verschwindende Welt der Bergdörfer kennen.
Carlin hat nachdem er mit 60 Jahren sein Berufsleben beendet hat mit seinen eigenen „mans“ akribisch die Welt nachgebaut, in der er gelebt hat. Im Maßstab 1:10 kann man hier sehen, wie die Mühle funktioniert hat, die Schmiede, wie man wohnte, sogar die Kirche hat er akribisch bis ins Detail nachgebaut, inklusive filigranem Altar und Freskogemälden. Und damit man auch wirklich alles ganz genau betrachten kann ist das Dach samt Kuppel aufklappbar wie bei allen Modellen. Carlin hat es dann auch tatsächlich geschafft sein Programm abzuarbeiten, erst, als das letzte Modell fertig war hat er sich mit 90 Jahren zur ewigen Ruhe gelegt.
Während die Modellmühlen elektrisch angetrieben werden, könnten die realen am Bach, der hinunter nach Spilimbergo fließt, heute problemlos Unmengen von Mehl malen oder Holz sägen, Wir haben Schwierigkeiten, ihn nicht mit den reißenden Wassermassen zu verwechseln, welche die Fahrbahn hinunterschießen. Doch wir wissen, warum wir uns mal wieder das Abenteuer einer Vespatour im Friaul gönnen, in der Osteria al Bachero wartet ein gedeckter Tisch auf uns. Kaum, dass wir unsere triefnasse Schutzkleidung abgelegt haben, kommt dann auch schon Rettung aus der Küche, Polenta, Baccalau, in Schweinsdarm gepresstes Musetto, wer mag, nimmt gerne auch Trippa, köstlich zubereitete Kutteln, der dazu gereichte Rote weckt die Lebensgeister besser, als der allgegenwärtige Prosecco. Führt aber auch dazu, dass wir das Nachmittagsprogramm, nun, sagen wir mal: spritzen und uns direkt in unsere Unterkunft nach Pordenone verabschieden.
Wo´s am Abend erst wieder Essen heißt, diesmal bei Ilario in der Vecia Osteria del Moro. Dezent und doch unübersehbar finden sich überall Zeugnisse von Illarios Liebe zur Vespa, natürlich ist er auch Mitglied des Pordenone Vespa Club, dementsprechend herzlich ist auch der Empfang. Und natürlich lässt er es sich auch nicht nehmen, uns mit dem Besten aus seiner Küche zu verwöhnen, typisch friulanisch wieder, aber mit Raffinesse modernisiert, durchaus passend für den Abschluss eines grandiosen Tages also. Dem noch ein weiterer folgen sollte, wieder einmal warten unsere beiden treuen Vespisti um halb neun im Nieselregen vor dem Hotel, doch diesmal hat der Himmel ein einsehen.
Es hellt auf, außerdem zielen wir heute Richtung Küste, der Wind hält uns wenigstens am letzten Tag den Regen vom Leib. So kommen wir erstmals trocken am ersten Tagesziel Cordovado an, der Borgo besteht de facto nur aus dem Palazzo del Capitano, dem der Cecchini und jenem der Freschi-Piccolomini, sowie einigen wenigen, dafür umso schöneren, Nebengebäuden. Der Ort lässt einen in längst vergangene Zeiten abgleiten, verständlich, dass einige Nachkommen der mit der Geschichte Norditaliens sowie der Kirche eng verbundenen Piccolominis dort immer noch hinter dichten Hecken residieren.
Endgültig letztes Borgo ist Sesto al Reghena, dort haben drei Langobardenfürsten 741 ein Kloster gegründet, die Benediktiner haben´s ihnen gedankt, beeindruckende Architektur und wieder mal ganz besonders schöne Fresken. 1787 wurde das Kloster und seine Latifundien versteigert, immerhin ist es mittlerweile wieder eine Pfarrei, um die kostspielige Renovierung kümmern sich Gemeinde und Region. Als die mit kleinen Pinselchen am Gerüst arbeitende Restauratorinnen sich gemeinsam mit der Wächterin in die Mittagspause verabschieden, packen wir die Gelegenheit beim Schopf und machen uns ebenfalls aus dem Staub.
Gut, das ist eine Redewendung, welche angesichts der auf unserer Reise herrschenden Wetterbedingungen nicht wirklich angemessen ist. Macht aber nix, war auch so eine grandiose Entdeckungsreise in ein Eck Italiens , das sonst oft übersehen wird. Kann uns nicht mehr passieren, die Region Pordenone ist definitiv eine Reise wert, wir kommen wieder, gibt ja noch so viel zu sehen!