Moto Guzzi V7 III Rough – Direttissima an die Adria

Glück muss „mann“ haben! „Stella und ich haben beschlossen, du sitzt hinten!“ Echt jetzt? „Ist unser letzter gemeinsamer Urlaub“, erklärt Mama, „sie macht gerade den L17 Führerschein, fährt also bis zur Staatsgrenze selbst, dort übernehme ich. Und wir werden Frauengespräche führen, Abba, Tanz der Vampire und so Sachen hören. Du nimmst dir am besten was zu lesen mit und setzt Kopfhörer auf. Klingt doch super, meinst du nicht?“

Moto Guzzi V7 III Rought Martin Swoboda for mipiace.at

Was hätten Sie darauf gesagt? Ich bin ja an sich nicht undiplomatisch veranlagt, aber ich kenne meine Grenzen. Und die liegen zum Beispiel bei zehn Stunden Musical, Abba und Girlie-Talk, da kann auch die Aussicht auf zehn Tage Entspannung unter Pinien, direkt am Meer im Garten unserer Freunde nichts mehr retten. Während ich, offensichtlich deutlich erkennbar, um Contenance ringe, schiebt die gute Frau Mama aber schon einen versöhnlichen Vorschlag hinterher: „willst du nicht lieber gleich mit dem Motorrad fahren?“

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Dumme Frage, an sich, natürlich will ich! Allerdings steht mir gerade nur eine Moto Guzzi V7 III Rough zur Verfügung, nicht gerade das typische Reisegefährt für einen ausgewachsenen älteren Herrn mit gutem Appetit und immer noch über 180 Zentimetern Scheitelhöhe. Jedenfalls sind die meisten meiner Motorradkumpane dieser Meinung, „das sind doch sicher mindestens 700 Kilometer, und auf der Autobahn bist du außerdem mit der kleinen Guzzi sowieso deplatziert!“ Gegen das letzte Argument kann ich in der Tat nichts entgegnen, auf´s Bandl will ich aber sowieso nicht, 691 Kilometer wären es laut Google Routenplaner exakt, oder genau 700, wenn ich via Ungarn führe. Wählt man die Option „Autobahnen vermeiden“ werden´s flugs fünfzig weniger. Na dann, nix wie los!

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Nur das 1000er Service muss noch erledigt werden, Faber schaftt´s bis vier, bleibt noch genug übrig vom Tag um mal in Jeruzalem einen Vorposten zu erreichen, den wir erst unlängst ausgekundschaftet haben. Beim Abendessen auf der Terrasse wird die restliche Route im Detail geplant, woraufhin die Kroatien Generalkarte gleich mal um zwei Drittel schmäler wird, uns reicht der Mittelteil, da ist alles drauf von Varazdin bis Sibenik. Plus ein erkleckliches Stück Bosnien, das sich, nicht ganz überraschend, in den Weg stellt. Recht so, gibt mir Gelegenheit einen der wenigen Staaten Europas zu inspizieren der mir noch gefehlt hatte. Die in Frage kommenden Grenzübergänge auf der Route werden umgehend auf der ÖAMTC Homepage auf Durchlässigkeit abgecheckt, schaut gut aus.

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Besonders durchlässig ist auch der Grenzübergang Ormoz, während die Mädls im Musical-Mobil sich im berühmten Stau bei Ptuj gedulden müssen, würdigt mich der verschlafene Beamte an der Brücke keines Blicks, winkt mich gleichgültig weiter in sein Kroatien. Durch die Berge der Hravatsko Zagorje, in denen der Paläontologe Dragutin Gorjanović-Kramberger 1899 die Reste von 23 Neandertalern entdeckt hatte, cruise ich gemütlich und verkehrsarm nach Süden, Agram vulgo Zagreb lasse ich rechts liegen, umfahre die Stadt indem ich mich bei Popovec doch die Autobahn wähle, nicht nur wegen des schönen Ortsnamens, sondern auch, weil sie mich ab hier schnell und gratis vom Stadtverkehr befreit. Die Abfahrt Velika Gorica lockt mit dem Hinweis auf Turopolje, Heimat der gleichnamigen Schweinerasse, den Besuch hebe ich mir für die Rückfahrt auf. Jetzt ziele ich lieber direkt auf Bosnien, der angepeilte Grenzübertritt von Bojna nach Bosanska Bojna liegt, laut Karte und Google, kaum 50 Kilometer südlich.

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Mittlerweile haben es Mamma Mia und Tochter geschafft, den Stau vor Macelji gegen jenen vor der Mautstelle Zagreb zu tauschen, wie die meisten bevorzugen sie auf Nummer sicher zu gehen, auch wenn sich´s zieht. Ist natürlich für den eingefleischten Guzzisten keine Option, am Motorrad lockt das Abenteuer, jedenfalls aber die Landstraße. Zunächst jedoch die Zapfsäule, ich laufe eine der raren Dorftankstellen an, erst als ich stehe entdecke ich die Herren von der Policija. Glück gehabt, den Tachometer habe ich heute noch nicht oft konsultiert. „Kein Problem“, meint der ansonsten eher unnahbare Tankwart, „die halten eher nach Schleppern Ausschau, kommen manchmal hier vorbei.“

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Was für die Nähe der Grenze spricht. „Jaja, gleich da hinterm Wald.“ Na dann, nix wie rein in den Forst, zumal ein Straßenschild im nächsten Dorf von der „Bojnska Cesta“ kündet, die Himmelsrichtung passt auch. Kurz nach dem Ortsende ist es auch mit dem Asphalt vorbei, breit ist sie allerdings, die Straße, sehr sogar, und ausgefahren, offensichtlich also tatsächlich eine viel genutzte, wiewohl kaum gewartete wichtige Verbindung.

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Endlich kann die Moto Guzzi V7 III Rough ihre Talente ausspielen, handlich ist sie ja, und leicht, macht sich auf der rumpeligen Piste bezahlt, manchen Schlaglöchern muss man einfach ausweichen, möchte die Robustheit der Guzzi nicht über die Maßen austesten. Bald kann ich beruhigt feststellen, dass ich nicht der Einzige bin, der hier unterwegs ist, eine leichte Staubfahne deutet auf Verkehr voraus hin.

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Rasch ist ein LKW als Verursacher identifiziert, Sattelschlepper für Schüttgut, offensichtlich leer, so rasant wie er sich durch den Wald schlängelt. Die dichte Staubfahne, die er hinter sich herzieht, verhindert nicht nur, dass ich den Straßenzustand einschätzen kann, auch dass der ambitionierte Lastwagenfahrer ahnt, dass ihm ein Motorrad folgt, ist eigentlich ausgeschlossen. Erst, als er einem Entgegenkommenden ausweichen und sein Tempo reduzieren muss sehe ich meine Chance, hektisch hupend und beherzt beschleunigend durchbreche ich den Staub, die MGTC (MotoGuzziTractionContol) auf Level 1 hält perfekt die Balance zwischen Vortrieb und Spurtreue, auch die auf der Rough montierten Pirellis mit ordentlichem Scrambler Profil machen sich endlich bezahlt. Als ich zwanzig Minuten später auf den nächsten LKW auflaufe, erkenne ich gleich den rot-weiß gestreiften Schlagbaum, wegen dem seine Bremslichter offensichtlich aufleuchten, schon die Grenze?

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Nicht wirklich. Stattdessen komme ich gerade noch vor der Einfahrt in einen mächtigen Steinbruch zum Stillstand, so einer, wo Bagger in der Größe von Mehrfamilienhäusern mit ein, zwei Schaufelladungen die Auflieger der Sattelschlepper scheppernd mit was-auch-immer-für Geröll randvoll füllen. Nein, hier geht´s nicht mehr weiter, ja, vor dem Krieg teilten sich die beiden Bojnas den Steinbruch, aber das ist Geschichte. Auch anderswohin komme ich von hier nicht, zurück in den Ort, dann rechts, nach ein paar Kilometern noch einmal, dann kommt ein kleiner Grenzübergang, erklärt der Schrankenwärter kurzangebunden.

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Und schickt sich schon an den Schlagbaum zu öffnen, eine volle Fuhre drängt auf meine Schotterstraße, da nehm ich lieber vorher Reißaus. Und treffe in besagtem Ort auf, erstens, ein von Einschüssen übersätes Kriegerdenkmal für die gefallenen Helden des Zweiten Weltkrieges, zweitens, etliche von Granaten und Maschinengewehrfeuer entstellte Höfe und ein ebenfalls wenig einladendes Gasthaus, sowie, drittens, auf einen jungen Mann mit Traktor. Sein Englisch ist nicht besser als mein Kroatisch, also so gut wie inexistent, ich verstehe trotzdem genau, was er mir zu erklären versucht: hier auch nicht! Nach Dvor respektive Novi Grad müsste ich schon fahren, um auf die andere Seite zu gelangen, über die Brücke. Sind aber eh nur, na ja, vielleicht sechzig Kilometer.

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Viel mehr waren´s dann auch nicht, tatsächlich wartet am Grenzübergang vor der Brücke über die Una eine nette Beamtin. Das orangefarbene Plastikhütchen mitten auf der Fahrbahn lässt mich allerdings nichts Gutes ahnen, nein, nur kleiner Grenzverkehr erklärt sie mir, und nur zu Fuß. Dabei habe ich doch extra im Internetz nachgeschaut, erkläre ich ihr, und dort erfahren, dass Novi Grad offen ist! „Wann denn“, fragt sie. „Gestern erst“, versichere ich, worauf sie entschuldigend lächelnd erklärt, selbst erst heute morgen bei Dienstantritt von der sofortigen Schließung erfahren zu haben.

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Meinen Verdacht, mitteleuropäische Angstpropaganda könnte eine Ursache für diese widersinnige Anordnung sein, kommentiert sie nur mit einem wissenden Schmunzeln. „Wissen Sie, in einem Land, das selbst aus zwei Staaten besteht, nach religiösen und nationalistischen Auseinandersetzungen und einem brutalen Krieg immer noch seine Identität sucht, kennt man die dunklen Seiten der Politik nur zu gut!“ Aber sie hat auch eine versöhnliche Auskunft für mich auf Lager, „Kostajnica ist nicht weit, in einer viertel Stunde sind sie mit dem Motorrad dort, immer an der Una lang, über die Brücke, am andern Ufer wieder zurück. Und in einer halben Stunde können sie mir ja von der anderen Seite meiner Brücke zuwinken!“

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Gesagt, getan! Hat meinen Zeitplan, zusammen mit den andern, zugegeben eher selbstverschuldeten Irrfahrten, allerdings um mittlerweile drei Stunden aus dem Lot gebracht. Dafür entschädigt die weitere Route, von Novi Grad schmiegt sich die „Bundesstraße“ M14 immer enger an die Una, der Fluss seinerseits nimmt anscheinend den Norden Bosniens in den Arm, zum Trost für den kaum vorhandenen Meerzugang bietet er auf ganzer Länge zwischen Novi und Bihac  zahllose Bademöglichkeiten. Immer wieder bilden sich Sinterterrassen im Strom, kleine moosüberwachsene Kalkinselchen, oft auch Baumbeständen, unzählige winzige Wasserfälle und kurze Stromschnellen machen die Una hier zu einem der freundlichsten Flüsse, den man sich vorstellen kann. Bosanska Otoka trägt die Inseln sogar im Namen, außerdem ist man dort auch religiös sehr freundlich.

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Kurz zuvor hat man die unsichtbare Grenze zwischen der Republika Srpska und der Föderation Bosnien und Herzegowina passiert, es grüßen nun die Minarette neben den katholischen Kirchtürmen. Auf der Rückfahrt ragt außerdem noch ein hoher Turm über den Fluss, von einer aus dünnen Stämmen errichteten gut und gerne zehn Meter hohen Plattform springt die Jugend behände in ein offensichtlich ausreichend tiefes Bassin im Fluss. Reichlich Publikum applaudiert vom Ufer, die Jury sitzt in einer Zille mitten im Fluss, die Noten werden mittels Megaphon verlautbart.

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Wieder wenige Kilometer flußaufwärts drängen sich in Bosanska Krupa einige Kurhotels ans steile Ufer, kein Wunder, das Tal der Una ist wohl eines der schönsten Europas, tief eingeschnitten einerseits, und doch auch sanft und fröhlich unten am Fluss. Flott geht es weiter entlang der Una nach Bihacs und, falls man die Abzweigung Richtung Flughafen rechtzeitig entdeckt, weiter in Richtung Meer, man kann sich aber mitten in Krupa auch wieder genau nach Süden ausrichten und die M14.2 wählen, eine Alternativroute welche den Verkehrsknoten von Bihacs umgeht, auch landschaftlich eine lohnende Alternative. Die auch wieder mal den Stoppelreifen der Moto Guzzi V7 III Rough Sinn gibt, auch wenn sie die Beschilderung am Straßenrand zur Fernverkehrsroute adelt, so macht sie auf einem etwa 20 Kilometer langen Teilstück durchaus auch als Rallyestrecke gute Figur.

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Bei Bosanski Petrovac stösst man auf die Hauptverkehrsroute gen Süden, wird offensichtlich auch gerne als Alternative zur Küstennahen Straße nach Neum und Dubrovnik gewählt, bei Dvar darf man sie wieder verlassen, zielt stattdessen auf den Gipfel der Dinara, mit 1831 Metern nicht nur höchster Berg der dinarischen Alpen, die den Balkan und uns -noch- auf 600 Kilometer Länge vom Meer trennen, sondern auch ganz Kroatiens. Und wie es sich für solch majestätische Gebirge gehört, finden sich auch hier in den Hochtälern Feriensiedlungen für Frischluft suchende Städter. Offensichtlich kamen die aber aus mittlerweile verfeindeten Gegenden, nicht wenige der Wochenendhäuser stehen offensichtlich seit Ende des Bosnienkrieges leer, viele davon sind nicht einmal über das Rohbaustadium hinausgekommen, wie Mahnmale wider Intoleranz und Nationalismus stehen sie nun in der friedvollen Landschaft.

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Und nachdem die Dinarischen Alpen nebenbei eine ausgesprochen wirksame Wetterscheide darstellen, ist es hier heroben selbst im August so grün, dass man sich ständig wesentlich weiter nördlich wähnt, selbst der Alpenhauptkamm kann es nicht so grün. Dementsprechend heimatlich fühlt man sich auf den Kurven die hinauf zur Grenze führen, auch die Guzzi übrigens, in Mandello del Lario schaut´s, abgesehen vom See, nicht viel anders aus. Einen solchen könnte man ohne große Umwege von Bihac aus erreichen, eigentlich sogar mehrere, die Plitvicer Seen nämlich.

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Interessiert mich aber vorderhand nicht weiter, dass Jadransko More ist schließlich nicht mehr weit. Kaum, dass man von den Dinarischen runterkommt, ändert sich die Vegetation ganz gravierend, die Hitze flirrt über abgeernteten goldgelben Feldern und trockener Makija. Nur entlang der Krka, die man bei Knin kurz erspäht, gedeiht Grün, das ersehnte Meer muss irgendwo da hinten im Dunst liegen.

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Die Damen planschen schon im kühlen Nass oder sind gar schon am Dinieren, als sich endlich am Ende des Tunnels, der von der Autobahnabfahrt an die Bucht von Sibenik führt, wie durch ein Fernrohr, das Meer blicken lässt. Ich gehe an der ersten roten Ampel seit vorgestern den Vibrationen auf den Grund, die mich vor ein paar Minuten aus der Konzentration gerissen haben. Klar, ein SMS, „haben in der Oaza einen Tisch bekommen – kommst du nach smiley emoji kussmund emoji K&S?“

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Und ob! Was wäre besser geeignet, die erfolgreiche Bosniendurchquerung inklusive dreier versuchter und eines erfolgreichen Grenzübertritts zu feiern, als eine feine Oktopus Peka und eine ordentliche Dosis von Zdravkos dem kargen Steinboden abgerungenen Babic im Kreis der Lieben zu genießen, während sich die Sonne blutrot hinter den Kornaten ins Meer verabschiedet?

Eben: Živjeli!

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