Autofahren im Alltag hat ja viel von seinem Reiz verloren, im Ballungsgebiet dient das Fahrzeug meist hauptsächlich als möglichst private Lounge. Und kaum sind die anderen weg -denn nur derentwegen bewegt sich´s nicht- lauert die Gefahr in Form einer diabolischen Maschine, die automatisch Einnahmen für die öffentliche Hand generiert. Den meisten reicht das betreute Fahren in der Kolonne, schaut man sich aber an, in was für Fahrzeugen sie investieren, darf man wohl annehmen, die meisten träumen vom großen Abenteuern. Selbst wenn 90% davon auf der, nennen wir sie mal: Wiener Straße, stattfinden und der Rest im Urlaub auf der Autobahn, so soll doch das Auto nach Indiana Jones ausschauen, wenigstens ein Bisserl.
Argumentiert wird der dafür fällige Aufpreis durchwegs vernünftig, Sicherheit, Wintertauglichkeit und Platzangebot stehen ganz oben auf der Liste, genauer betrachtet bleibt aber immer nur das ich-könnte-wenn-ich-wollte als Argument stehen. Stellt sich die Frage: was wollen Sie denn eigentlich? Den Ursprung des Nil finden, Mister Livingstone? Dem Reinhold helfen, den Yeti zu finden? Oder gar im Zwischenstromland nach dem Rechten schauen? Eben, eigentlich geht´s doch, abgesehen vom täglichen Frondienst, in erster Linie darum, hin und wieder in Gesellschaft von Freunden einen Ausflug oder mit der Familie Urlaub zu machen. Ja, eh, auch im Winter, also Allrad, aber mal ganz ehrlich: ist Ihnen Status wichtiger oder vielleicht doch der Fahrspaß?
Wir gehen mal davon aus, dass Letzteres zutrifft, immerhin lesen sie mipiace.at, die Plattform für italienischen Stil und Lebensfreude, und ganz unter uns: ein niedriger Schwerpunkt hat dem Fahrvergnügen noch nie geschadet! Und wenn Sie sich mal ganz unvoreingenommen ansehen, wie viel vom Platzangebot eines SUV alleine für Bodenfreiheit und Reservereifen draufgeht, schmilzt auch dieses Argument wie Gelato al Limone in der Sonne Italiens. Kommen sie mir jetzt nicht mit der Waschmaschine, die Sie abzuholen gedenken, erstens lässt man sich die heutzutage günstig liefern, zweitens: schon mal so ein Ding in einen dieser Edellaster hochgewuchtet? Eben! Also lieber die unangenehmen Dinge des Lebens erledigen lassen und sich selber auf die schönen, eleganten konzentrieren. Womit wir genau bei der Kernkompetenz unserer italienischen Nachbarn wären, bella figura machen können sie wie kaum wer anderer, dass sie darüber hinaus ein großes Herz für die Bambini haben, ist auch bekannt, was auch die Alfa Giulia 2.2Diesel 210 PS ATX AWD wiedereinmal beweist.
Man braucht sie nur anzuschauen, die Giulia ist der Inbegriff der sportlichen Limousine, elegant, agil, viertürig. Und hintendran ein Kofferraum, wo all das Zeug, das zu brauchen wir meinen, auch akustisch feinsäuberlich getrennt von den Passagieren mitreisen darf. Tief ist sie, die Höhle, der flache Boden schreit geradezu nach ein paar Kartons vini d´Italia, die betteln ja geradezu mitgenommen zu werden, jedesmal, wenn man auf der Heimreise noch schnell an einem dieser verführerischen Supermärkte vor der Grenze hält, um das Urlaubsgefühl daheim kulinarisch zu verlängern. Also mir geht´s zumindest immer so, auch neulich wieder, auf der Rückfahrt von einem Wochenende beim Bibione Beach Fitness Festival.
Dorthin waren wir zu viert aufgebrochen, zwei Erwachsene plus Nachwuchs, beide auch schon keine Kinder mehr, zumindest was die Größe anlangt. Nach anfänglichem Murren haben sich alle vier rasch eingelebt in der Alfa, liegt natürlich auch am Platzangebot, das ist nämlich reichlich. Vorne sowieso, möglicherweise arbeitet in der Entwicklungsabteilung von Alfa ein Basketballer, jedenfalls passen sogar noch meine 45er locker in den Fußraum, nicht selbstverständlich heutzutage. Man darf sich übrigens nicht irritieren lassen, wenn man nach dem Wiedereinsteigen die Pedale nicht mehr erreicht, voller cortesia rückt die Giulia den Sitz nämlich erst wieder näher ran sobald man die macchina in Betrieb nimmt, kennt man aus guten Ristoranti, kann im Auto auch nicht schaden.
Apropos Inbetriebnahme: erfolgt natürlich quasi vollautomatisch, Transponder wird erkannt, Türverriegelung geht bei Berührung auf, erster Druck auf den Startknopf im Lenkrad -keine lästige Verbeugung zum Armaturenbrett nötig, das Hemd bleibt, wo´s hingehört- korrekte Sitzposition wird hergestellt, Fuß auf die Bremse, zweiter Druck, Maschine läuft. Und zwar angenehm unaufdringlich, was einen erklärten Dieselskeptiker wie mich, erfreulich überrascht. Und weil wir schon auf der Bremse stehen lassen wir auch gleich die Übersetzungstufe unserer Wahl aktivieren, das R für, no na, rückwärts, was sich in dieser Fahrtrichtung im Weg befindet zeigt sogleich der Monitor, mit D initiiert man Vorwärtsschub, der wird in acht Gängen gereicht, ausgesprochen unterschwellig übrigens, kaum merklich deckt die Automatik jeweils neu ein. Wobei: das gilt vorallem, so lange man den Genetik Drehknopf der Alfa in Ausgangsstellung A belässt, das DNA Radl kann aber auch anders, weil: D = dynamisch, und zwar wirklich.
Aber der Reihe nach, also durch die Stadt auf die Südautobahn zum Beispiel. Auch wenn man gewohnheitsmäßig tief sitzt passt die Übersichtlichkeit in der Stadt, man spürt die Abmessungen des Sportlers gut, um Details beim Ausparken kümmern sich die Sensoren, Sensibilität als auch Lautstärke des Warntons kann man auf persönliche Vorlieben hin abstimmen. Die Mühen des Stopp-an-Go Verkehrs auf der Triesterstraße mindert die höfliche Automatik, nichts ruckelt, keine Lastunterbrechung lenkt ab. Dann, endlich, die Autobahnauffahrt, doch gemach, 80 km/h sind im Nu erreicht. Zeit, den Geschwindigkeitswarner zu programmieren, funktioniert dank intuitiver Bedienung genauso ablenkungsarm wie die Wahl des Unterhaltungsprogramm, auch der Zugriff auf das Smartphone klappt problemlos. Nur die Disziplin aufzubringen, das Tempo zu zügeln, geht nicht ganz so leicht von der Hand.
Dafür hilft einem die Giulia 2.2 Diesel dann wieder die Spur zu halten, als ob Charly Horak beherzt in den Bass greifen würde, erschallt ein tiefer Warnton, wer auf die Hilfe der Chefpartie nicht neugierig ist, drückt kurz ein Knopferl am Blinkerhebel, erledigt. Ansonsten gibt es von der Autobahn nichts Besonderes zu berichten, der Alfa erledigt Langstrecken, wie man es von einer modernen Limousine erwarten darf, bequem, spursicher und flott, schlicht makellos. Einen Bonus darf man aber vermerken, das hübsche wie interessante Gesicht macht Menschen neugierig und höflich zugleich, läuft man auf einen verschlafenen Linksfahrer auf, wechselt der umgehend die Spur, sobald er das elegante Antlitz der Giulia mit ihrer außermittig montierten Nummerntafel entdeckt hat.
Lustiger wird es natürlich auf kurvigen Landstraßen, hier kann das sportlich abgestimmte Fahrwerk brillieren, dank Q4 Allradantrieb geht auch der Grip nie verloren, selbst wenn man, na endlich, die DNA modifiziert. Selbst auf dynamisch getrimmt, zieht die Giulia unbeeindruckt ihre Spur, ganz im Gegensatz zum Piloten, den beeindruckt der massive Antritt sehr wohl. Die 210 PS der Dieselmaschine schieben gewaltig an, der Benziner verfügt um noch mal 70 mehr, sicher nicht schlecht, aber wirklich nicht notwendig. Zumal der Normverbrauch laut Werksangaben 30% über jenen 4,7 Liter des Selbstzünders liegen, im, durchwegs sportlich absolvierten Alltagstest, kamen wir auf 6kommairgendwas, durchaus beeindruckend.
Allerdings haben wir praktisch nie manuell geschaltet, man kommt gar nicht auf die Idee, de facto hat die Automatik immer die richtige Übersetzung eingelegt. Nur im gut einsichtigen Flachland um Udine und auf der, dank sonntäglicher Speiserituale von den Einheimischen, kaum genutzten Rennstrecke durch das Kanaltal haben wir uns den Spaß gegönnt. Und da hat die Giulia plötzlich ihre aristokratische Erziehung und zuvorkommende Höflichkeit abgelegt und ihr Cuore Sportivo offenherzig zur Schau gestellt. Die anfangs von der frischen Luft aus der Klimaanlage noch überraschend kalten Aluminiumpaddles wurden schnell warm, man kommt ja kaum nach, mit den Gangwechseln, so behänd sprintet die Alfa von Kurve zu Kurve. Wobei das Hochschalten, wie gesagt, könnte sie selbst genauso gut, was zu höherer Geschwindigkeit und kontrollierten Kurvenlinien hingegen wirklich merklich beiträgt ist die Möglichkeit, ein, zwei, gar drei Gänge hinunterzuschalten, bevor die Giulia überhaupt noch erkennen könnte, dass dies angebracht wäre. Doch da ist sie gern´ zu Diensten, röchelt lustvoll die Drehzahlleiter rauf, stets bereit, notfalls wieder selbst den richtigen der acht Gänge bereitzustellen. Ein Angebot, auf das wir gerne zurückkommen, allerdings erst wieder oben auf der Autobahn, wenn wir im dichten Heimreiseverkehr und dank der zahlreichen dienstbaren Geister aus dem Hause Alfa doch entspannt nach Hause rollen. Das Infotainmentsystem beauftragen wir, Vincenzo Bellini zu suchen, i Capuletti e i Montecchi, mit der Netrebko, oder noch besser Spontinis La Vestale, da gibts auch eine Giulia, gegeben von der unvergleichlichen Callas. So wird die Fahrt auch im Stau noch zum Erlebnis, tante grazie, Giulia!
Danke für die freundliche Kooperation mit Megadenzel Erdberg.