Oft zahlt sich´s aus, der Bezeichnung, die der fahrbare Untersatz trägt, auf den Grund zu gehen. Sonst kann es schon mal passieren, dass die seriöse Familienkutsche auf den schönen Namen „Karpfen“ hört, in korrektem Bulgarisch, was man erst dort, im Urlaub am schwarzen Meer erfährt. Nun also: Audace, aus der Familie Moto Guzzi. Kühn, gewagt, unverschämt sagt der Pons, nach Englisch übersetzt auch „bold“.
Passt bestens, als bold werden ja auch fette Schriften bezeichnet, und fett ist das Teil allemal. Ganz gleich, von welcher Seite man sich ihr annähert, die Audace lässt erst gar keine Zweifel aufkommen. Hier wartet ein Motorrad für echte Kerle, die zupacken können und wollen, political correctnes darf ruhig mal Pause machen, mit dieser Guzzi stellt man gleich mal klar: ja, ich liebe es, Motorrad zu fahren, und ein jeder soll das sehen!
Womit die Audace einen deutlichen Kontrast zum beschaulichen Salzkammergut herstellt, in dem wir drei, eben die Guzzi, die beste Sozia von allen sowie meine Wenigkeit die Sommerfrische verbringen. Meist gemeinsam, wenn wir auf dem Parkplatz des Seehotels Traunsee zwecks Abendessen im Bootshaus einlaufen geniessen wir die neidvollen Blicke, auch der Startvorgang am Badeplatz bleibt nie unbeobachtet, doch heute muss Abwechslung rein.
Die Sozia zieht es nach Ebensee, Schuhe will sie kaufen, beim Steinkogler. Recht so, korrektes Schuhwerk gehört sich einfach für die Trachtenparty am Samstag, ich hingegen erlaube mir kühn eine egoistische Spritztour. Frech schicke ich sie alleine mit ihrer Vespa von dannen während ich verwegen über die Grossalm Straße in Richtung Attersee abdampfe.
Sobald man durch Neukirchen gerollt ist und der Traunstein sich nicht mehr im Rückspiegel breit macht, findet man sich in einem Paradies für Motorradfahrer. Die Einheimischen nennen das Aurachtal auch Tal der Gesetzlosen, nach offizieller Aussage eines einmalig angetroffenen Wachorgans wird es nur einmal die Woche bestreift, wie er sich ausdrückte.
Ansonsten nur im Bedarfsfall, das heisst, wenn ein Kollege sich bei der Linienwahl verschätz hat. Kann schon mal passieren, lange Geraden münden gerne in überraschend enger werdende Kurven, die allerdings immer noch gut und gerne zügig genommen werden können. Was genau dem Charakter der Audace entspricht, dank langem Radstand hält sie den eingeschlagenen Kurs felsenfest, ein kleiner Impuls an der Hinterbremse vergrössert die Schräglage, ein Zug am Gasgriff richtet sie mühelos auf und lässt sie ungestüm voranstürmen.
Wenn man will braucht man gar nicht schalten, der 1400er schiebt unaufhörlich, zum Glück verfügt sie über einen natürlichen Tempomat. Selbstverständlich kommt auf so einem Café Dragster nur ein offener Jethelm in Frage, zusammen mit dem Lenker, der den Fahrtwind mit offenen Armen empfängt, verliert man so nie den Überblick über die Kräfte, die man aus Spass an der Freude mit der rechten Hand jederzeit freudvoll abzurufen imstande ist.
Kurz vor der Passhöhe, dort, wo der Postbus wackere Wanderer auf den Waldweg zum Langbathsee entlässt, kündet eine langgezogene Kurve in den Wald von der bevorstehenden Rythmusänderung, nun kommen ein paar enge Kehren, da darf die unbeirrbare Brembo Bremsanlage zeigen, was sie kann.
Und mehr noch bergab, hat was von der Lauberhornabfahrt, wie im Haneggschuss bremsen, nur ein paar kleine Schikanen die rasante Fahrt. Bis zur Kienklause, wie beim Brüggli-S empfiehlt es sich, Fahrt herauszunehmen, bevor es wieder mit Schwung hinauf geht nach Oberfeichten, die dortige Geschwindigkeitsbeschränkung sollte man durchaus ernst nehmen.
Im eigenen Interesse nämlich, nach dem Ortsende kommt nämlich endlich der Attersee ins Blickfeld, die Aussicht kann man genießen während hinunterrollt nach Steinbach und dabei auch etwas vom Geschwindigkeitsrausch abschütteln. Denn die Grossalmstrasse endet in einer rechtwinkeligen Einmündung in die Strasse rund um den Attersee und die erfordert im Sommer vor Allem Eines: Geduld!
Niedertourig am Ufer entlang tuckernd übersieht man gerne die Abzweigung ins Weissenbachtal, vielleicht war´s bei mir ja auch eine Art Freudsche Fehlleistung, die mich meine rasche Runde vergrössern liess, wer weiss, wie lang das Wetter hält. Also weiter zum Südspitzerl des Sees, Unterburgau heisst der Ort dort, muss es doch auch ein Oberburgau geben.
Ist auch so, gehören aber beide schon zu Salzburg, Ober liegt sogar schon an einem anderen nämlich dem Mondsee, und zwar am Südufer, gegenüber ist wieder Ober, diesmal aber -Österreich. Man könnte nun die Runde via Wolfgangsee rund machen, doch die Salzburger feiern gerade 200 Jahre Zugehörigkeit zu Österreich, tun dies auch auf reichlich Plakaten an den Landesgrenzen kund, und so ist rasch der Entschluss gefasst, einen schnellen Höflichkeitsbesuch einzuschieben, ist ja nicht weit.
Ausserdem darf man bis 11 Uhr Vormittags auf den Mozartplatz fahren, wo in der Neuen Residenz die Landesausstellung unter dem Titel „Erzähl mir Salzburg“ die zweihundertjährige Familienzugehörigkeit feiert, passend dazu zeigt das Haus der Natur am anderen Ende der historischen Altstadt eindrücklich die Veränderung der Umgebung, kann man Beides nur empfehlen.
A propos Empfehlen: der Versuch, die Innenstadt wieder unauffällig zu verlassen und dabei womöglich endlich doch noch ein kleines Frühstück mitzunehmen wurde kurzfristig durch einen Schaulustigen sabotiert. „Ach, schön, eine Guzzi“, outete sich der elegante Herr im feinen Zwirn als Fan, während ich versuchte ohne Aufsehen aus dem Labyrinth der Krottachgasse zu entkommen. Und siehe da, der freundliche Guzzista entpuppte sich als Landeshauptmann Haslauer höchstpersönlich, sogar einen Frühstückstipp hatte er parat, „das Cappomio ist gleich da vorne, die Maschin´ können sie ja hier mal stehen lassen, ist nämlich eine Einbahn!“
Beim tatsächlich vorzüglichen Cappucino Freddo kam mir noch in den Sinn, dem Shoppingvergnügen der besten Sozia von allen auch mir selbst ein solches Vergnügen angedeihen zu lassen, obgleich die Audace bereits mit den eleganten Lenkerarmaturen, Zylinderkopf- und Knieschonern sowie einigen anderen Verschönerungen aus dem original Zubehörkatalog veredelt war wollte ich mich doch versichern, ob sich nicht doch noch irgendein Detail verbessern liesse.
Da kam es ganz zu Pass, dass die besteingeführte, wenn auch bislang eher für sportliche und österreichische Geräte bekannte Firma Hauthaler seit diesem Jahr ihr Augenmerk auch auf Moto Guzzi legt und nunmehr als Vertragshändler Interessenten in der Mozartstadt zu Diensten steht (Herr Landeshauptmann, wie wär´s?)
In der Moosstrasse am Weg nach Hallein gelegen, dient mir Hauthaler anschliessend als Absprungrampe zurück in die Berge, man muss nur auf die Gipfel des Tennengebirges zielen, gleich hinter Golling geht´s hinauf. Und wenn sich dann hinter Oberscheffau der Dachstein mit seinem Gletscher ins Bild schiebt wird es Zeit, nach der Abzweigung auf die Postalm Ausschau zu halten.
Diese übersehen viele, Gottseidank möcht man sagen, so muss man diese herrliche Mautstrasse nicht mit allzu vielen Touristen teilen. Dafür erfreut sie sich bei den Einheimischen grosser Beliebtheit, gerne nutzt das dynamische Jungvolk die Privatstrasse zum Training, Kurven werden offensichtlich gerne geschnitten, wovon reichlich Schotter auf der Fahrbahn im Scheitelpunkt zeugt.
Kein Problem für die Audace, der fette Gummi findet immer schnell wieder Halt, oder man geht´s gleich gemütlich an, die Landschaft verdient nämlich hier oben durchaus auch ausgedehnte Betrachtung. Trotzdem kommt man ganz schön ins Schwitzen auf der sommerlichen Rundfahrt, gut, wenn da die Holde schon mit dem Badetuch am Steg wartet.
Wenn sie´s denn tut, und nicht, wie bei meiner Ankunft, mit ein paar feschen Wakeboardern frech auf einem dieser unverschämt kühnen Frauscher Hybrid Boote draussen am See herumdüst. In Sachen Haferlschuh war sie offensichtlich auch erfolgreich, feinsäuberlich neben dem mir bekannten Badetuch wartet ein fettes Paar auf seinen abendlichen Einsatz. Werden sich auf der Moto Guzzi Audace auch nicht schlecht machen.