Nicht, dass uns Pordenone nicht schon längst ein Begriff wäre, dutzende Male haben wir wohl schon Wegweiser dorthin gesehen. Und sind daran vorbeigebraust. Vom Norden kommend war die Verlockung dann doch nie groß genug, irgendein Ort weiter südlich verfügte immer über stärkere Anziehungskraft, Toskana, Venedig, ja selbst Triest oder die altösterreichischen Badeorte der oberen Adria haben stets gewonnen. Erst die Einladung des Vespa Clubs Pordenone hat uns schließlich alte Vorurteile über Bord werfen lassen, endlich wollten wir einmal nachschauen, ob es sich tatsächlich auszahlte, die Autostrada 27 schon bei Osoppo zu verlassen, der Name alleine hatte bislang nicht gereicht.
Das Kanaltal in all seiner Trostlosigkeit hat man ja rasch hinter sich gelassen, so wie offensichtlich der Großteil seiner Einwohner, seit der Verkehr auf der Stelzenautobahn und durch die Tunnels rauscht, stehen nicht mal mehr die Standln der Ramschverkäufer am Straßenrand, sogenannte Outlets gibt es nur noch in Tarvis. Hat man aber erst mal den Talschluss erreicht und die Abzweigung nach Tolmezzo hinter sich gelassen, atmet man erleichtert Mittelmeerluft, riecht förmlich die nahe Adriaküste. Uns hat diesmal auch etwas mit „Adria“ vorne erwartet, die zweite Silbe war leider ein „Tief“, dementsprechend spannend gestaltete sich die zweite Hälfte der Anreise. Zum Glück verfügen unsere neuen 300er Vespas über reichlich Leistung und die lokalen Carabinieri über Verständnis für wetterbedingte Eile.
Ich möchte Sie im Folgenden nicht mit kleinlichen Wetterdetails langweilen, die Witterung hat sich jedenfalls nicht an gängige italienische Sommerklischees gehalten, selbst bei Rosamunde Pilcher Dreharbeiten in Cornwall hätten sie mehrmals Drehpausen eingelegt. Nicht jedoch wir, dank leidlich eleganter Schutzkleidung, ABS, ASR, kurzweiliger Reisebegleitung und der Aussicht auf regelmäßige Stärkung mittels herzhafter Cucina Friulana haben wir uns frohgemut ins Abenteuer gestürzt.
Es gäbe schließlich etwas zu entdecken, hat man uns allerseits versichert, quod erat demonstrandum. Marco, der Präsident des Club Vespa Pordenone weist den Weg, wir folgen problemlos seiner verführerischen Zweitaktschwaden versprühenden PX aus den neunzehnhundertachziger Jahren, den Schlussmann macht Giuseppe auf dem Vorjahresmodell unserer 300er.
Die Abfahrt aus Pordennone gestaltet sich easy, mindestens fünf Kilometer lang bleibt der Asphalt fast trocken, dann – aber darüber wollten wir ja nicht reden – ist die SS 13 feucht, aber immer noch schnürdlgerade, sind eh nur 25 Kilometer bis Valvasone. Der Ort gehört zu den „Borghi piu Belli dell´Italia“, völlig zu Recht übrigens, kreisförmig schmiegt sich die Stadt an die zentrale Burg.
Hier, weil´s grad so gut passt, mal schnell ein kurzer Exkurs zum Begriff Borgo: vom griechischen pyrgos, der Bezeichnung eines Turms beziehungsweise eines befestigten Wirtschaftsgebäudes, haben sich die Römer den burgus ausgeliehen, die Bedeutung bleibt ungefähr die gleiche, natürlich mit etwas militärischerem Schwerpunkt als Grenzfestung, im Italienischen borgo hat sich diese wieder etwas zivilisiert und bezeichnet eine baulich abgeschlossene Siedlung. Im Idealfall natürlich eine ästhetisch ansprechende, bei den Italienern fast schon logisch.
Valvasone erfüllt übrigens alle drei Voraussetzungen, in der Mitte steht der Turm des Castello genau dort, wo schon die Römer auf einer kleinen Anhöhe in der ewigen Ebene einen Wachturm zwecks Kontrolle der nahen Tagliamento Furt in Betrieb hatten. Daraus entwickelte sich eine befestigte Siedlung, nach den Wirren der Völkerwanderung beschloss dann wohl ein Graf aus deutschen Landen, hier mit Genehmigung des zuständigen Patriarchen von Aquiläa was vernünftiges, befestigtes zu bauen.
Und einen Burggraben gleich dazu, man kann sich noch gut die dazugehörige Zugbrücke vorstellen, auch die Spuren der stetigen An-, Um- und Zubauten sind im Zuge der einfühlsamen Renovierungsarbeiten schön herausgearbeitet worden. Besonders das kleine kunstvoll geschmückte Theater aus dem 18 Jahrhundert bezaubert, weswegen es, wie Bürgermeister Markus Maurmair erzählt, gerne als Hochzeitslocation genutzt wird. Genau so stolz ist er darauf, dass sämtliche Kosten von seiner nur zweitausend Seelen zählenden Gemeinde aufgebracht wurden.
Sollten sie sich jetzt über den Namen wundern, sei gleich einmal auf die lange Österreichische Geschichte des Friauls hingewiesen, selbst die Grafen von Valvasone haben ursprünglich Wolfsgruber oder so geheißen, regiert wurde die Gegend von den Grafen von Görz, ab 1500 im direkten Auftrag der Habsburger. Der nächste Name hat, wiewohl auch nicht gerade italienisch, nichts mit den Ösis zu tun, die Villa Stoinoff hat ihren Namen von Ljubimir, der das Haus quasi mitgeheiratet hat, seine Tochter führt es nun als luxuriöses B&B und öffnet den historischen Garten regelmäßig für Gäste.
Und freut sich für gewöhnlich über Regen, nach sechs Wochen unter dem Regenhut hat aber sogar sie schon genug. Auch Pier Paolo Pasolini, der hier seine Volksschulzeit absolvierte, scheint ähnliches Wetter erlebt, wenn auch geliebt haben, an „das Graue, das Schwarze, die Stille, das aus der Zeit Gefallene und die Vokale des Dialektes“ erinnert er sich gerne.
Die lokale Sprache ist in der Tat faszinierend, das Graue begleitet uns ohnehin die ganze Zeit, wir machen uns wieder auf den Weg. Der Presidente muss aufs nächste Radunno, Vespatreffen finden jeden Sonntag in Italien dutzende statt, wir versuchen mit Giuseppe Schritt zu halten, der offensichtlich den Straßenverlauf sowie die Standorte etwaiger Geschwindigkeitskontrollen auf dem Weg in seine Heimatgemeinde wie seine Wespentasche kennt.
Im Ortsgebiet bleibt der Speed knapp zweistellig, gleich danach gibt er Gas, dank des deutlich gestärkten Drehmoments unserer neuen 300er halten wir locker den Anschluss. Nur durch die zahlreichen Kreisverkehre eiern wir ausgesprochen kommod durch, auch in Italien verbinden sich Dieseldämpfe mit Niederschlägen zu einem effektiven Gleitmittel.
In Sacile gibt´s erst mal was zu futtern, die Italiener nehmen das sehr ernst, die Friulaner noch mehr. Das Ristorante Cellini serviert erstens ganz vorzüglichen Baccalao, den eingeweichten, zerpflückten und weichgekochten Stockfisch, und komplimentiert die feuchte Witterung draußen mit seiner Lage am Spitz zwischen zwei Armen der Livenza durchaus schlüssig.
Den munter fließenden Fluss nutzen die Einwohner offensichtlich auch zum Wildwasserpaddeln, die Torstangen hängen von zwischen den venezianisch dreinblickenden Bürgerhäusern gespannten Drahtseilen, dank des mittlerweile deutlich angestiegenen Wasserstandes tanzen sie nun von ganz alleine durch die Wellen.
Die Livenza hat mit ihren vielen Armen und Kanälen Sacile nicht nur zum Namen „Garten der Serenissima“ verholfen, sondern, dank Schiffbarkeit bis hierher, auch zu besonderer Bedeutung als Hafen und Handelsplatz im Venezianischen Hinterland. Was an den beeindruckenden Herrenhäusern deutlich wird, hinten, zu Wasser hin, unschwer als Lager identifizierbar, die Fassaden zum Marktplatz hin drücken hingegen hauptsächlich Status aus.
Vor allem der Palazzo Ragazzoni zeigt, was einst hier für wertvolle Waren umgeschlagen worden sein müssen, auf der Insel hätte er gar nicht mehr Platz gefunden, liegt am anderen Ufer, so kann der Blick auch hinten in den Schlosspark schweifen, einst nur der Eingang zu Ländereien, die sich weit hinaus ins Umland zogen.
Conte Ragazzoni, der Erbauer, hatte schon in Venedig als exklusiver Getreide-, Wein-, Gewürz- und Rosinenlieferant der Hohen Pforte ein Vermögen gemacht, seine Geschäftsbeziehungen reichten bis zum englischen Hof, dementsprechend exquisit -wäre sie nicht so hervorragend ausgeführt, könnte man auch sagen: angeberisch- fällt die Gestaltung seines Anwesens aus.
Deswegen haben die Dogen ihre wirklich wichtigen Staatsbesuche auch gerne bei den Ragazzonis untergebracht, den Papst, Napoleon oder Maria Theresia etwa. Netterweise hat der letzte Besitzer das Anwesen der Stadt Sacile übertragen und sogar noch einen ansehnlichen Betrag zwecks Renovierung. Hat sich ausgezahlt, genau wie Valvasone braucht sich auch Sacile nicht hinter weitaus bekannteren Orten in Venezien, Toskana oder sonstwo in Italien verstecken! Und das war es noch lange nicht, im zweiten Teil geht es nach dem Abendessen genau so spektakulär -und feuchtfröhlich- weiter!
Danke für die freudliche Kooperation mit der Handelskammer Pordenone!