Wenn Vespa ruft, zumal an die Riviera, werden alle anderen Bedürfnisse hintangestellt, ja auch der heimatliche Pulverschnee, denn wedeln kann man auch auf der herrlichen Küstenstraße zwischen Genua und San Remo. Einsam sind Anfang Jänner die Straßen und Hotels Liguriens, gediegen unsere Homebase in Arenzano, das altehrwürdige Grand Hotel, zwei Autobahnabfahrten vor Genua.
Betont relaxt gestaltet sich das abendliche Briefing, in dem alle Neuerungen des Vespa GTS Jahrgangs 2019 erläutert werden, exemplarisch darstellt an 2 Modellen der aktuellen 300er, geparkt in der Lobby des Hotels.
Line-up
Das Meeresrauschen weckt mich mit den ersten Sonnenstrahlen, nur Palmen verdecken den Blick auf Genua. Emsige Helfer parken bunte Vespas vor dem Eingang des Hotels, von der klassischen Vespa GTS 300ie über die 300ie Sport zur Vespa GTS 300ie Super Sport, reiseaffine Vespisti greifen zur Touring, Techniker zur Vespa GTS 300ie Super Tech mit 4,3 Zoll TFT Display, bekannt aus der Smallframe Baureihe, welches aber in der GTS mit dem Smartphone kommuniziert und über Pfeile am Display den rechten Weg weisen kann.
Optisch hat sich im Gesamtbild nicht viel getan, doch fügen sich raffinierte Details perfekt in die neueste Baureihe, von der verlängerten Krawatte angefangen, über die Full-LED-Leuchten vorne und hinten, hin zu neuen wabenförmigen Lufteinlässen an den Seiten und modifizierten Abdeckungen im unteren Bereich des Hecks. Erwähnenswert sind auch die neuen Sitzbänke, die besseren Komfort versprechen und auch halten.
High Performance Engine
Mehr hat sich unter der Stahlkarosserie der Vespone getan, wenngleich es nicht zu den 300PS der ersten Fassung des Pressetextes gereicht hat. Stolze 23,8 PS bei 8250 U/min leistet der komplett neu gestaltete Einzylinder, eine Steigerung von 12%, die meinen Winterspeck zu kompensieren suchen.
Wichtiger scheint mir aber die Steigerung des Drehmoments auf 26 Nm bei 5250 U/min, was eine Verbesserung um 18% bedeutet. Möglich gemacht wird die Kräftigung durch einen komplett neuen Zylinderkopf, einen neuen Kolben, eine brandneue Hochdruck-Einspritzanlage, die modifizierte Airbox, neu konstruierte Einlasskanäle und Elektronik. Als Nebenprodukt soll der Motor bereits der kommende EUR 5 Norm entsprechen und signifikant weniger Sprit verbrennen.
Driving Day
Kühl ist der Morgen, so mancher hüllt sich in windundurchlässige Regenbekleidung, ich vertraue der Sonne Italiens und der Hitze des Gefechts. Fabrizio führt die Meute an, als Lumpensammler fungieren 2 Piaggio MP3 500ie mit Probekennzeichen, Testfahrzeuge der Amerika-Version des Großrollers mit 2 Rädern an der Vorderachse.
Und ich habe gutgetan, meinem Körper kühlenden Fahrtwind zu spenden, denn Fabrizio kennt nur eine Stellung am Gasgriff, nämlich voll. Weniger gut kennt er die Begriffe „linea di blocco“ und „limite di velocita“, italienische Bezeichnungen, die auch mir unbekannt bleiben müssen, will ich Fabrizio folgen.
Kolonnen werden im Zoom-Modus eliminiert und wir eilen Richtung Berge, um die hervorragenden Handlingeigenschaften der neuen Vespa GTS 300ie zu erfahren. Von einer Schräglage in die nächste heizen sich die französischen Gummis auf und die bissigen Bremsen machen das Bergfahren zum reinen Vergnügen. Auffallend ist die harmonische Abstimmung des Motors und das bärenstarke Drehmoment. Kein Einbruch der Kraft, sauberes Drehen bis zur leicht erhöhten Spitze von 120km/h, wobei ich den Eindruck hatte, dass meine blaue Super Sport schneller lief. Alle GTS 300ie sind übrigens gleich abgestimmt. Es gibt keine Unterschiede in der Suspension, egal welche Farbe die Feder hat. Neu ist hingegen das CVT-Getriebe, welches geräuscharm samtigen Vortrieb garantiert.
Bei Finale Ligure findet die italienische Bergmeisterschaft ihr Ende, lange schnelle Kurven schlängeln sich entlang des azurblauen Meeres. Hier entscheidet die Aerodynamik und Linie, die Bremshebel sind hier tabu, bis das Aqua di Varigotti zum Boxenstop ruft. Die Paccheri Vicidomini allo scarpariello lassen die getriebenen Vespisti das Meer schmecken, die Calamari alla Partenopea lassen mich schon nach einer Unterkunft in Varigotti suchen, um meinen kulinarischen Lebensmittelpunkt in den Süden zu verschieben, selbstverständlich motorisiert mit einer Vespa GTS 300ie.
Fazit
Alles bleibt gut, vieles wird besser und die Vespone erreicht einen neuen Höhepunkt in ihrem Reifungsprozess. Überzeugend gelungen sind die Motor- und Getriebeupdates, die noch mehr Souveränität und Punch vermittelt. Die klassische Form wurde nur behutsam stilistisch modifiziert, das Fahrverhalten ist für mich persönlich hervorragend gelungen und lässt auch sportlichen Galopp in den Bergen Liguriens zu. Somit steht uns Vespisti also ein fantastisches Frühjahr bevor!