Gleich vorab sei gesagt, dass ich in keiner Weise ein Electro-Aficionado bin. Als Kind der 1960er Jahre liegt mir das Benzin im Blut und die zylindrische Feinmechanik war mir in die Wiege gelegt.
Fahrzeuge mit elektrischer Motorisierung haben mir lange Zeit nur ein Lächeln entlockt, kein Schalten, kein Einklang zwischen Kupplung, Drehzahl und dem Dröhnen des Motors, nach Vortrieb schreiend.
Erst Elon Musk hat der Elektromobilität Sex verliehen, denn massive Beschleunigung und abenteuerliches Drehmoment lassen auch Benzinbrüder wie mich nicht kalt. Emotionalität ist also der Schlüssel zum Ankauf eines Elektromobils, nicht Metathemen wie Klimaschutz oder Energieeffizienz.
Und wer, wenn nicht die Italien, steht für Emozione, Passione und Amore! Die Aufgabe war aber noch schwieriger, als einen Tesla S mit über 400 PS sexy dastehen zu lassen, denn Fiat stand vor der Anforderung, eine Ikone der Mobilität neu zu erfinden, den Fiat Cinquecento, der nicht nur Italien in die Moderne geführt hat, sondern auch Österreich in Form des unvergessenen Puch 500.
Die Voraussetzungen waren schon einmal nicht schlecht, denn mit Klaus Busse, Head of Design FCA Group, hat sich der Turiner Traditionskonzern einen Künstler des Designs geangelt, einen Meister der feinen Linien und des guten Geschmacks. Trotz seiner deutschen Herkunft neigt Klaus Busse nicht zu Radikalismen wie so mancher Landsmann, sondern hat den Fiat 500 der dritten Generation genau so auf den Punkt gebracht, wie es heute und morgen „State of the art“ ist.
Der Nuovo Cinquecento ist schlicht perfekt gelungen. In allen Dimensionen ein klein wenig gewachsen, erkennt man klar die Genetik eines Fiat 500 auf den ersten Blick, ohne auf Modernität und vor allem Eleganz verzichten zu müssen. Der neue 500er scheint aus der Pubertät seines Vorgängers entwachsen zu sein, was nicht nur sein Aussehen betrifft, sondern auch die Finesse der Ausstattung und auch das Empfinden während der Fahrt, was Haptik, Fahrverhalten und Bedienung betrifft. Alles ist neu, und doch ist alles, wie es immer war. Und genau das ist die Kunst des Klaus Busse, im massiven Wandel Kontinuität zu wahren.
Der Fiat 500 ICON verfügt über einen 87kW (118 PS) Elektromotor und einen Akku mit einer Kapazität von 42kWh, die mit Hilfe eines DC-Ladesystems mit maximal 85kW geladen werden kann, was das Erreichen von 80% der Kapazität in 30 Minuten erlaubt. Dieses Paket beschleunigt den Fiat Nuovo Cinquecento dann in 3,1 Sekunden auf 50 km/h, im 9 Sekunden auf 100 km/h und ermöglicht eine (abgeregelte) Spitze von 150 km/h. Die Reichweite wird mit 320 km (WLTP) angegeben, wobei in der Stadt bis zu 460 km möglich sein sollen.
Ausgestattet ist der Fiat 500 ICON natürlich mit dem letzten Schrei der Technik, was Konnektivität und autonomes Fahren gelangt, sogar das Einparken gelingt aus Vogelperspektive.
Aber die meistgestellte Frage lautet natürlich: „Wie fährt er sich?“
Das wichtigste beim Fahren eines Elektrofahrzeuges ist für mich, den Wie-lange-hält-der-Akku-Schalter umzulegen. Der hält schon ausreichend lange, in diesem Fall unter realistischen Bedingungen auf Autobahn, Landstraße und mit großem Stadtanteil etwa 230 Kilometer im Abarth Mode. Ich bin also so gefahren wir immer, weil Fiat eben auch beim Fahren die Emozione, Passione und ganz viel Amore eingepackt hat! Elektroprofis, Sonntagsfahrer und Langeweiler werden sicher höhere Reichweiten erzielen können, aber dafür ist der Fiat 500 Elettrica nicht gemacht. Gesteuert wird der Spaß über 3 Modi, Normal, Range oder Sherpa. Normal erlaubt das endlose Segeln ohne Bremswirkung des Elektromotors, Range die Rekuperation und Sherpa das nach Hause Schleppen, wenn die Energiereserven am Ende sind. Angefangen habe ich im Normal Modus, von dem ich dann aber schnell in den Range Modus gewechselt bin.
Nicht, um Energie wiederzugewinnen, wie Ihr vielleicht denkt, sondern vielmehr, weil das Fahren mit nur einem Pedal einen ganzen speziellen Reiz ausmacht. Das Gaspedal wird zum Joystick der Elektromobilität. Gas geben und bremsen mit nur einem Pedal, und das bis zum Stillstand. Ich hoffe nur, dass die Bremslichter dem nachfahrenden Verkehr Zeichen geben, um gröbere Kalamitäten zu vermeiden.
Und der Nuovo Cinquecento geht gut, um ehrlich zu sein, viel besser, als ich es mir erwartet habe. 118 PS in einem kleinen Wagen sind nun einmal 118 PS, unterfüttert von wuchtigen 220Nm Drehmoment aus dem Stand. Die ersten Meter mag dein Nachbar an der Ampel noch neben dir sein, dann verlieren sich aber seine Lichter irgendwo im Rückspiegel. Du bist King of Stadtverkehr, ein Luftikus zwischen den Fahrbahnen, so geschmeidig kooperieren Fahrwerk und Motor.
Das Fahrwerk ist überhaupt ein ebenbürtiger Mitspieler. Extrem gut gedämpft erinnert hier nur mehr wenig an den 500er der zweiten Modellreihe, der vor meiner Türe steht. Vielleicht ist es aber auch die Stille, die diesen Fahreindruck so verstärkt. Kurven werden neutral und schnell umrundet, dem niedrigen Schwerpunkt sei Dank, und die Lenkung besticht vor allem durch Leichtgängigkeit, was den Wagen in Kombination mit dem saftigen Antritt und übersichtlichen Außenmaßen zum Florett der City macht.
Der Nuovo Cinquecento hat sich seine eigene Klasse geschaffen. Ein fast sportlich zu fahrendes Elektrofahrzeug, das in Punkto Design und Eleganz typisch italienischen Lebensstil repräsentiert. Die technischen Errungenschaften des flüssigen Antriebs schmücken zwar Prospekte, die Herzen gewinnt der Nuovo Cinquecento aber in Bewegung.
Der Fiat 500 Elettrica startet mit knapp Euro 25.000, von denen dann noch die Förderung von Euro 5.400.- abzuziehen sind. Das gefahrene Modell ICON Cabrio in Vollausstattung beläuft sich auf Euro 32.990.- abzüglich der Förderung, das Cabrio kostet Euro 3.000.- Aufpreis zum Hatchback, eine dritte Tür ( gegenläufig auf der rechten Seite zum einfacheren Einsteigen) Euro 2.000.- und ist nur im Hatchback verfügbar.
Die Preise müssen aber im Kontext zum Produkt gesehen werden. Der Nuova Cinquecento verschmilzt die eingangs erwähnten Metathemen Klimaschutz und Energieeffizienz mit italienischem Stil und modernster Technik. Hinzu kommen natürlich geringere Wartungs- und Betriebskosten.
Würde ich mir den Fiat 500 Elettrica kaufen? Als fast Empty-Nester spielt für mich der pure Raum mittlerweile eine untergeordnete Rolle. Der Elettrica ist für ein Paar ausreichend groß, Urlaubsfahrten sind mit umgeklappter Rücksitzbank kein Thema. Die Reichweite ist ein Knackpunkt, der im Kopf zu lösen ist und einen generellen Wandel in der Planung von Reisen verlangt.
Kaufen würde ich mir den Fiat 500 Elettrica, weil er mein Herz anspricht, mir täglichen Fahrspaß ohne Reue gönnt, man immer bestens angezogen ist und sich allen Klassifizierungen entzieht. Der Nuovo Cinquecento ist die Quintessenz des Zeitgeistes, ein weiterer Meilenstein in der Geschichte von Fiat.