Collio – Grenzenloses Hügelland

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle Blog

Mit den flinken gelben Vespas des Consorzio Vini geniesst man zwischen Collio und Brda ganz `slow´ natürliche grenzüberschreitende Gastfreundschaft.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle BlogEdi Keber begrüßt Gäste seines Agrotourismus, wenn´s sein muss, in passablem Deutsch, spricht mit der Familie Slowenisch, den Besuchern seines Weinguts Italienisch, fachgesimpelt mit den Kollegen wird natürlich Friulanisch.

Wo genau die Wurzeln dieser Sprache liegen ist unklar, tief in der Geschichte jedenfalls, keltisch vielleicht, von italienisch war damals ja noch keine Rede, und von Grenzen schon gar nicht. Die kamen später, eine davon verläuft direkt durch die Weinberge der Kebers, davon ist aber auch nichts mehr zu spüren, ausser, dass die Aufschrift auf den Mistkübeln plötzlich die Sprache wechselt.

Die nach dem ersten Weltkrieg  gezogene Grenze beendete die K.K. Idylle, machte selbst die Brautschau zu einem zwischenstaatlichen Balanceakt. So hatte sich Edi etwa in ein Mädchen aus dem Nachbardorf verschaut, dummer Weise hinter dem Grenzzaun. Die Angebetete war zwar nur einen Kilometer entfernt, dennoch musste er sich während seines Militärdienstes von Freunden im Kofferraum hinüber schmuggeln lassen. Am Steuer des Wagens saßen dabei Elena Orzan und Josko Sirk, dessen Mutter, eine überzeugte kaisertreue Österreicherin schon lange zuvor Reißaus genommen und gleich hinter der Grenze bei Cormons mit einer bescheidenen Gastwirtschaft neu begonnen hatte.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle Blog

Josko, der gerne auf die Verwandtschaft zum legendären Sirk-Eck im Wiener Hotel Bristol hinweist, hat das Wirtshaus mittlerweile zur in Feinschmeckerkreisen als erste Adresse gehandelten `La Subida´ hochgekocht, Edi zählt zu den innovativsten Winzern der Region, Elena bietet nicht nur seine Weine in der Enothek in Cormons an, sondern kümmert sich auch um alle anderen Produzenten der Region.

Offiziell natürlich nur um jene aus dem Collio, sie hat aber immer einen Tipp parat, wenn man jenseits der provisorischen Grenze aus dem zwanzigsten Jahrhundert seinen Durst löschen möchte. Schliesslich wissen ohnehin nur die wenigsten italienischen Agrarbeamten, dass Brda, so wie Collio in italienisch, Hügel auf slowenisch heisst.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle Blog

Und die Winzer auch herüben auf Namen wie Juretič und Pičech oder Sturm hören, drüben heissen sie dann halt Benedetič. Schliesslich hat man ja gerade mal siebzig Jahre diese neue Grenze, nun ja, möglichst ignoriert, nachdem sich die Bewohner Jahrhunderte lang als Österreicher fühlten. Und selbst heute noch werden Freunde von jenseits der alten Grenze hinter Cormons gerne als Italiener gehänselt.

Ganz im Gegensatz zu den slowenischen Nachbarn, meist sind sie ohnedies wenigstens entfernte Cousins. Und die machen oft das Gleiche wie in Italien, nämlich Wein anbauen, Schweine züchten, herrlich ehrliche, einfache Speisen zubereiten, und diese gemeisam geniessen. Dabei wird mit prachtvollem Ausblick auf die endlosen Weinberge so manche Schnurre von früher erzählt, etwa wie die lokalen Bäuerinnen gleich nach Ausbruch des Jugoslawienkrieges die Lebensmittellieferungen an die Kasernen einstellten und so wohl ihr Teil zum raschen Ende der Kampfhandlungen auf slowenischer Erde beigetragen haben.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle Blog

Oder eben jene von Edi im Kofferraum mit immer wieder neuen Details. Die drei Freunde haben es aber nicht bei sentimentaler Vergangenheitsbewältigung belassen, kaum dass klar war, dass die Grenze dank EU endgültig Geschichte werden würde, machten sie sich an die Arbeit. Schnell war klar, dass in Erinnerung an jugendliche Spritztouren eine Vespa die Idee befördern sollte, die konnte nur gelb sein, satt und intensiv wie der Wein der Gegend.

Das Dekor ist so peppig, wie es eben nur die Italiener hinbekommen, die Beschriftung meist zweisprachig, ganz klar. Nur Deutsch kommt halt nicht mehr vor, so tief in der Geschichte wollte man dann doch nicht wühlen. Und weil geteilte Freude mindestens die doppelte ist, stehen die gelben Roller in führerscheinfreien oder autofahrertauglichen Ausführungen bei vielen Agrotourismusbetrieben für die Gäste bereit, Edi und Josko natürlich inbegriffen, einfach anstarten, lostuckern, und die Gegend erfahren.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle BlogMit der Verkostung der vorzüglichen Collio Weine lässt man sich da halt noch Zeit, bis man sich denen abends daheim beim Winzer hingibt kann man sich ja mal den alkoholfreien Genüsse der Region widmen. Etwa in die Käserei der Familie Zoff, seit Generationen betreibt man Milchwirtschaft, längst schon bylogisch-dynamisch, weil sie sich selber gesünder ernähren und besser leben wollten, beteuert Laura, das aktuelle Familienoberhaupt, enthusiastisch.

Auch ihren Ehemann Fabio Miani hat sie mit ihrer Begeisterung angesteckt, als passionierter Ferrarista war er zwölf Jahre mit dem Formel 1 Zirkus unterwegs. Doch dann kam das Bambino und Papá liess sich vom Schwiegervater umschulen, statt Reifen wechselt er nun Windeln und lässt Milch statt Superbenzin fliessen, wenn man ihn nun in der Käseküche sieht, mag man kaum glauben, dass er einst in der Boxengasse um Sekundenbruchteile feilschte. Obwohl ein gewisser Hang zur Geschwindigkeit kaum zu übersehen ist, wenn er die 90 Grad heissen Mozzarella-Kugeln ins Kühlwasser befördert.

Unter Vermeidung banaler Schnellstrassen tuckert man dann gemütlich auf der Vespa nach Cormons hinein, mitten im Zentrum parkt man den Roller vor einem massiven Holztor, ein Auto könnte man in den engen Gassen nicht so einfach loswerden. Hinter dicken Mauern geht Monica d´Oswaldo ihrem Handwerk in der Prosciuteria nach, auch sie entspricht nicht gerade dem bäuerlichen Cliché.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle BlogDie zierliche junge Dame sieht auf den ersten Blick aus, als wäre sie auf dem Weg zum Photoshooting für ihr Plattencover, doch statt eines Gitarrenplektrons zieht Monica ein zugespitztes Stück Pferdeknochen aus der Tasche, ihr wichtigstes Werkzeug. Wozu sie das braucht? Sie bohrt es zärtlich aber doch entschlossen tief ins Fleisch einer der weit über Hundert Schweineschenkel, die im letzten Reiferaum ihrer Bestimmung als erstklassige Prosciuti entgegen hängen.

Man glaubt ihr gerne, dass sie sich gar nicht vorstellen mag, was für süsse Ferkel am Beginn ihrer Arbeit standen, doch mit der gleichen Zuneigung, welche sie für diese zur Schau stellt, behandelt sie auch das langsam reifende Produkt ihrer Passion. Kein Wunder, dass der Grossteil der Prosciuti schon im voraus verkauft ist, an beinahe allen verrät ein Schildchen den wartenden Geniesser, diesmal liest man auch auffällig viele deutsche Namen, Sereinigg oder Ros zum Beispiel.

Wie man sieht, leben die Menschen hier wieder friedlich zusammen, haben das gewalttätige zwanzigste Jahrhundert ad acta gelegt, und geniessen, was der Boden an reichen Geschenken hervorbringt. Was die Weine anlangt kann man sich auch gleich ums Eck von der Prosciutteria einen Überblick verschaffen, in der Enoteca di Cormons werden die Weine der 32 Winzer des DOC Region nicht nur zu ab Hof Preisen verkauft, sondern auch Glasweise zum Probieren ausgeschenkt.

Und Hausherrin Elena Orzan weiss nicht nur kundig auf die spezielle Charakteristik jedes Tropfen einzugehen sondern stellt gegebenenfalls auch gleich den Kotakt zum Winzer her und klärt die Auslastung. Denn die kulturelle und kulinarische Vielfalt erfährt zwar ganz hervorragend mit den gelben Vespas, nirgendwo hin ist es zu weit für eine schnelle Spritztour.

Collio - Grenzenloses Hügelland by Homolka mipiace.at Italian Lifestyle BlogDoch wenn man die Sache ernst nimmt und sich gewissenhaft mit Sortenvielfalt, Lagen und Jahrgängen  beschäftigt empfiehlt es sich, die Vespa Vespa sein zu lassen und gleich am Hof zu Übernachten. Hier im Süden durchaus auch schon zu Ostern bei geöffnetem Fenster, man hört dann als einziges Geräusch den Zug von Triest daherrattern, früher fuhr er in acht Stunden durch bis Wien, tempi passati, heute muss man umsteigen, doch in den Wirtsstuben herrscht noch immer altösterreichische Atmosphäre.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert