Moto Guzzi Griso – Hammer des Hephaistos

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Will der italophile Motociclista eine Rennhummel, wird er sich Aprilia anschauen. Will er etwas Ausgefalleneres, faucht ihn eine MV Agusta an. Die meisten landen dann bei Ducati. Man sollte aber nicht die Rechnung ohne Moto Guzzi machen.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Die Moto Guzzi Griso 1200 8V – Spitzname „Black Devil“ – findet man in der Zulassungsstatistik eher weiter hinten, doch damit wird ihr unrecht getan.

Sie würde sich Besseres verdienen, denn sie hat alle Eigenschaften eines Klassikers.

Sonniger Oktober: Schnell, schnell, bevor des Winters Faust auf uns niedersaust… schnell noch einmal die Moto Guzzi Griso angeworfen, auf dass uns ihr formidabler, längs eingebauter V2-Hammermotor die Knie (sofort) und das Herz (für immer) erwärmen möge. Und damit uns ein süßer Traum an die schöne Jahreszeit bleibt, in der an endlos langen, lauen Sommerabenden ebenso endlos lang Kurven gewetzt werden können.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Nasskalter Jänner: Zwar schneit es zwischendurch immer wieder bis in die Niederungen, doch die Tage werden langsam wieder länger und das Licht kommt nicht mehr gar so flach daher. Und verlässlich wie der fahle Sonnenaufgang kommt auch schon wieder dieses gaaanz feine Kribbeln in der Gashand… eine Erinnerung an den wuchtigen Griso-Motor, geschmiedet mit dem Hammer des Hephaistos, des Gottes über Feuer und Vulkane…

Wonnemotor: Angst vor Höllenqualen braucht man vor der 1200er trotz ihres infernalischen Beinamens „Black Devil“ nicht haben. Der Motor ist unglaublich easy zu fahren. Stadtbummel, Café-Racing, Stauing… unkompliziert. Doch wehe, wenn etwas kräftiger am rechten Griff gedreht wird. Dann schiebt die Guzzi mit Donnergrollen an, dass es es eine Freude ist. Ohne Ende. Die optionale Zard-Auspuffanlage sorgt für einen durchsetzungsfähigen Sound – im Sinne der Erhöhung der passiven Sicherheit.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Freiland! Am wohlsten fühlt sich die Griso freilich auf Freilandstrecken wie im Weinviertel. Das Fahrwerk macht alles mit und vermittelt das Gefühl, dass immer noch viel mehr geht – auch dann, wenn man mit dem Schauen gar nimmer nachkommt. Stets sehr präsent ist der Motor. Akustisch sowieso, aber auch im Antrieb. Der Bereich, in dem ihm die Luft ausgeht, konnte ich nicht kennenlernen. Werde ich wohl auch nie kennenlernen, dazu bin ich zu feig oder zu gesetztestreu oder zu alt. Wahrscheinlich letzteres. Nein, eh alles.

Streckung nach vorne. Die ersten Kilometer auf der Griso sind gewöhnungsbedürftig. Laang nach vorne gestreckt sitzt man da wie anno dazumal Bruno Ruffo oder Rupert Hollaus. Großer, langer Motor und prominenter Tank (wunderschön zwischen den Rahmenrohren verlegt)… da muss der Fahrer oder die Fahrerin entsprechend weit nach hinten. Nach kurzer Zeit ist es absolut natürlich und sogar bequem. Probleme mit der Gewichtsverteilung gibt’s keine, dafür sorgt schon der wuchtige Motor.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Kardan! Wie bei allen aktuellen Guzzis, wird auch bei der Griso die Kraft über einen Kardanstrang auf die Straße gebracht. Im Gegensatz zur kleineren V7 und der humbraummäßig gleich großen Stelvio spürt man hier den kardantypischen Rechtsruck beim unvermittelten Beschleunigen. Ist nicht wild und sogar spaßig, wenn man’s weiß. Unmittelbare Umsetzung der Gashand in ordentliche Beschleunigung, allerdings auch brutale Motorbremse. Hier gibt’s keine Kette als Powerpuffer.

Reisemoped? Im Jänner malt man sich dann immer schon aus, wohin man denn im nächsten Sommer fahren möchte. Die Frage nach der Reisetauglichkeit der Griso muss (vorerst) unbeantwortet bleiben. Klar, als Nackerte drängt sie sich nicht von Haus aus dafür auf. Andererseits: Der Fahrersitz ist echt bequem, da schläft lange nichts ein, da tut lange nichts weh. Theoretisch – eh auch praktisch – kann eine halbhohe Scheinwerferverkleidung installiert werden (wer auf italienischen Seiten nach „cupolino“ oder „parabrezza“ suchet, der findet), Seitentaschen und Gepäckträger gibt es optional. Und der große, flache Tank ist prädestiniert für einen ebenso großen Tankrucksackturm. Man kann sicher unkomfortabler verreisen.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Fazit: Die Moto Guzzi Griso ist kein Retrobike, aber bereits ein Klassiker. Ein Traum von einem Motor, den man bis in die Eingeweide spürt und den man aufgrund der gestreckten Sitzhaltung geradezu umarmt. Vielleicht sollten sich mal die Marketingleute in Mandello del Lario bei BMW schlau machen: Dort hat man es geschafft, aus der BMW R nine T ein Kultbike zu machen, bevor sie überhaupt am Markt war. Und die Griso spielt durchaus in der gleichen Liga mit.

Moto Guzzi Griso by derstandard.at/Gianluca Wallisch

Für 2015 soll es zusätzlich zur Farbkombination silber-schwarz (Black Devil) auch eine in rot-schwarz (Rosso Trophy) geben; zum Preis von 14.999,- Euro. (Änderungen vorbehalten). Zum Thema ABS auf der Griso gibt’s nichts Neues: Es ist vorerst keines vorgesehen. Offenbar will man warten, bis es tatsächlich 2016 Pflicht für Neumotorräder wird. Dann wird man bei Guzzi schnell ins Regal greifen und jenes der Stelvio adaptieren, die schon längst damit unterwegs ist.

Gianluca Wallisch, derStandard.at, 5.1.2015

Technische Daten (Werksangaben):

Motor: 90° V-Twin 2-Zyl. 4-Takt, luftgekühlt
Hubraum: 1.151 ccm
Max. Leistung: 110 PS (81 kW) bei 7.500 U/min
Max. Drehmoment: 110 Nm bei 6.000 U/min
Max. Geschwindigkeit: ~ 230 km/h
Getriebe/Antrieb: 6 Gänge, C.A.R.C. Kardanantrieb
Auspuffanlage: 2 in 1 Anlage aus Edelstahl, 3-Weg-Katalysator mit Lambda Sonde, Euro 3 (ZARD-Anlage optional)
Federung vorne: Upside Down-Gabel, Ø 43 mm, einstellbare Federvorspannung, hydraulische Zug- und Druckdämpfung
Federung hinten: Progressiv wirkende Einarmschwinge, Einzelstoßdämpfer mit getrenntem Gasdruckdämpfer, einstellbare Federvorspannung, hydraulische Zug- und Druckdämpfung
Bremsen vorne: Ø 320 mm schwimmend gelagerte Doppelbremsscheibe aus Edelstahl, 4-Kolben-Bremssattel
Bremse hinten: Ø 282 mm Bremsscheibe aus Edelstahl, schwimmend gelagerter 2-Kolben-Bremssattel
Bereifung vorne: 120/70 17 Zoll
Bereifung hinten: 180/55 17 Zoll
Länge/Breite/Höhe: 2.260/840/1.070 mm
Radstand: 1.545 mm
Sitzhöhe: 800 mm
Eigengewicht fahrfertig: 231 kg
zul. Gesamtgewicht: 450 kg
Tankvolumen: 17 Liter (davon 3,5 Liter Reserve)

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