Prolog
Unverhofft kommt oft. An diesem Tag durch einen Telefonanruf aus der FCA-Austria Zentrale. Christian meldet sich ganz locker, ob ich denn am 19ten und 20ten Juli Zeit hätte. Und dann rückt er auch schon mit der ganzen Wahrheit heraus: „Willst du die Ennstal-Classic 2018 fahren?“. Was er nicht sah, war der Jubel und die Freude, eine einmalige Chance, bei dem Highlight der Classic-Szene mit dabei zu sein. Dementsprechend auch meine Antwort: „Ja, gerne.“ Soviel Coolness muss sein.
Die Ennstal-Classic ist wohl die bekannteste Motorsportveranstaltung für historische Fahrzeuge in Österreich, erstmalig durchgeführt 1993, gegründet von der Journalisten Legende Helmut Zwickl und Michael Glöckner. Die Ennstal-Classic besticht nicht nur durch die wirklich einzigartige Auswahl an Fahrzeugen, sondern insbesondere durch die grandiose Selektion an Piloten, zu denen ich mich an diesem Freitag im Juli auch zählen darf.
Alfa Romeo Spider 1600 Duetto
Und damit das Maß voll ist, ergänzt Christian seine Einladung mit den Worten: „Du fährst einen 1966er Alfa Romeo Duetto.“ Der Duetto, eine wahre Legende unter den Spidern, Dreh und Angelpunkt der moderneren Geschichte Alfa Romeos. Unvergessen Dustin Hoffman in „Die Reifeprüfung“, die er nicht nur auf Mrs.Robinson, sondern in seinem Alfa Romeo Duetto ablegt, der in Kalifornien heute noch „Graduate Spider“ genannt wird.
Legenden haben viele Namen, so auch Dustin Hoffmans Dienstwagen, der als erstes Product-Placement in der Filmgeschichte gewertet wird. Der Name Duetto wurde im Zuge eines Preisausschreibens erfunden, und bezieht sich korrekterweise ausschließlich auf Spider des Jahres 1966, auch wenn sich der Begriff auf alle Rundheck Modelle angewandt wird. Origineller ist da schon die Bezeichnung „Osso di Sepia“ , eine Anspielung auf das runde Heck des Wagens.
Ennstal-Classic 2018
Werksfahrer reisen natürlich in Werksfahrzeugen, in meinem Fall dem grandiosen Alfa Romeo Stelvio Super, dem ich aber einen eigenen Testartikel widmen will. 280 PS treiben mich über den Semmering und St.Michael ins Ennstal, das mich schon am Donnerstag mit strahlendem Sonnenschein empfängt. Ich komme gerade recht zum Einzug der Gladiatoren, der Zieleinfahrt der Etappe am Donnerstag in Schladming. Von der Sonne verbrannte Gesichter, ein jedes mit einem Lächeln geschmückt, bahnen sich die Juwelen der Automobilgeschichte ihren Weg durch das Spalier der Fans und ich bekomme einen ersten Eindruck dessen, was die Ennstal-Classic bedeutet. Motorsport pur, Motorsport zum Anfassen.
Hundertschaften ziehen vorbei, brüllende Meisterwerke der Vorkriegszeit, schlanke Sportwagen der 50er und 60er und Dr. Wolfgang Porsche winkt aus einem 356 mit Zeller Kennzeichen. So muss das sein, denke ich mir, während ich mit der charmanten Anneliese Abarth einen Espresso trinke.
Man kennt sich eben im Ennstal, und so lerne ich diesen Abend auch noch meinen Duetto kennen, der sich knisternd auf dem Hauptplatz von Schladming eine Pause gönnt. Das anschließende Ferrari-Dinner vor dem Posthotel Schladming gestaltet sich zum „Who is Who“ der Automobilgeschichte, von A wie Abarth, B wie Brabham, über P wie Porsche oder Jo Ramirez sind sie alle gekommen und Hans Joachim Stuck genießt den lauen Abend auch lieber in der Steiermark als am Hockenheim-Ring. Der Vorhang fällt aber rasch, denn Disziplin scheint ein Merkmal des Rennfahrers zu sein. Oder ist es doch der Respekt vor der kommenden Etappe?
Die Reifeprüfung
Tagwache 6 Uhr. Eine erfrischende Dusche, Espresso gibt´s am Stoderzinken. Mein Alfa Romeo 1600 Spider steht bereit und für mich meine erste Prüfung, Testfahrt mit dem Mechaniker-Guru aus dem FCA-Heritage Center in Turin, Corso G.Agnelli 200, where else. Ob ich denn Erfahrung mit historischen Wagen hätte? Sorge um den Duetto aus dem Museum liegt in der Luft, aber schon auf den ersten Metern meldet sich mein Gedächtnis wieder. Erinnerungen an die Giulia meines Vaters werden wach, der Geruch des Wagens, die weiche 5-Gang Schaltung und der Sound des klassischen Doppelnockenwellen 1600ers beamen mich in mein Geburtsjahr zurück. Eine Reise in die Vergangenheit, die plötzlich Realität ist.
Keine Wertungsfahrt ohne Beifahrer und ich besteige mit Gianfranco unseren Spider. Das Kapperl sitzt und die Sonnencreme duftet, die Flagge fällt auf der Startrampe im Gröbming und wir sind im Rennen!
Stoderzinken
Die erste Sonderprüfung ist der Stoderzinken, ein mächtiger Gipfel im Ennstal, der mein Liebesverhältnis zum Duetto in Stein meißelt. Ich drehe den 1600er höher, Gianfranco beginnt sich zu entspannen und wir jubeln Kehre um Kehre hinauf zum Ziel . Die Lenkung entpuppt sich in Fahrt als zielgenau und leichtgängig, auch wenn der Servo fehlt, die hängenden Pedale steppen mit mir im Takt und das Fahrwerk scheint fast der Neuzeit entsprungen. Ein Meisterwerk nicht nur das Design aus der Hand von Battista Pininfarina, dessen letzte und vielleicht schönste Arbeit der Duetto ist, sondern ein technisches Gustostückerl, das seiner Zeit wohl weit voraus war.
Endlich der ersehnte Espresso, rund 240 Fahrzeuge warten auf den Restart des Rennens, Zeit zu plaudern, die Prachtstücke aus der Nähe zu betrachten, und gegebenenfalls erste Reparaturen durchzuführen, was in unseren Fall aber erstens nicht notwendig war und zweitens durch die Männer mit den goldenen Händen durchgeführt worden wäre, die uns das ganze Rennen hindurch irgendwo im Umfeld begleiteten. Grazie.
Die Marathon Etappe
Rennfieber. Restart vom Stoderzinken hinein ins Land. Ich harmoniere mit dem Duetto von Kurve zu Kurve besser, die Drehzahl steigt, die Sonne glüht auf das herrliche Land, auf die unbekannten traumhaften Flecken im Herzen von Österreich. Gianfranco entpuppt sich als fantastischer Copilot, nervlich gefestigt trotz seiner Jugend, orientierungssicher und bewandert in der Geschichte des Automobils, kurzum perfetto!
Spital am Pyhrn heißt unser nächstes Ziel, gefolgt vom Nationalpark Kalkalpen. Traumhaft die Wahl der Route, Landstraßen der zweiten und dritten Kategorie, wie geschaffen für den kleinen Spider, ideal für den 109PS 1600er, der vor Freude nur so jauchzt. Hier wird Geschwindigkeit durch Linie gemacht, was so mancher Muskelprotz zur Kenntnis nehmen muss.
430km sind kein Kindergeburtstag und so ist in Steyr erst Halbzeit des Rennens. Tausende Zuschauer am Hauptplatz, kühlende Labung für die Piloten. Neben der Startlinie kommt ein E-Type zum liegen. Die Kupplung ist abgebrannt, weniger offensichtlich die solventen Besitzer, die das Missgeschick mit Humor nehmen. Über Waidhofen geht es nach Lunz am See, wo uns wieder begeisterte Tifosi empfangen.
Wildalpen und der Nationalpark Gesäuse machen die Fahrt zum Genuss, ein Traumtag in einem Traumwagen erfüllen alle Wünsche, die man in das Fahren setzt. Ein harmonischer Flow zwischen Mensch und Maschine, automatisierte Bewegungsabläufe an der Pedalerie und dem Getriebe, die am Triebener Tauern auch von Nöten sind, um im Pulk mit stärkeren Wagen mithalten zu wollen.
Es beginnt zu Dämmern, als wir den Flughafen Niederöblarn erreichen, um noch einmal das Beste aus dem Duetto herauszuholen, eine Ehrenrunde für ein Juwel der Automobilgeschichte, bevor es zurück geht nach Gröbming, wo wir nach rund 13 Stunden Totalzeit das Ziel erreichen. Die Flagge senkt sich und der Duetto bekommt seinen wohlverdienten Schlaf.
Epilog
Müde sinke ich in das Leder des Stelvio, der mich sicher nach Wien zurückbringt. Lane Assistance, automatisches Aufblenden, kühlende Klimaanlage. Die Jetztzeit hat mich wieder, auch wenn das Fauchen des 2 Liter Triebwerks fern an das Drehen des klassichen Twin-Cams erinnert. Ein Traumtag geht zu Ende, der mich wohl noch lange begleiten wird. Menschen mit Passion, Fahrzeuge mit Tradition und Gianfranco mit mir im Alfa Romeo 1600 Spider Duetto.
Grazie Alfa Romeo!
Danke für die Kooperation mit FCA-Austria, FCA-Heritage und Alfa Romeo Austria.
Fotocredits: Peter Meierhofer, VM Veranstaltungsmanufaktur, Ennstal-Classic Martin Huber