Der Alfa Romeo Tonale trägt stolz den Namen des Passo del Tonale, der die Lambardei vom Trentino trennt. Der Name steht aber auch für die Wasserscheide zwischen Po und Etsch, so wie der jüngste Alfa Romeo als Weggabelung zwischen der Vergangenheit und Zukunft der italienischen Traditionsmarke zu verstehen ist.
Seit dem Gründungsjahr von Alfa Romeo 1910 ist viel Wasser den Po hinunter geflossen, die Marke hat Höhen und Tiefen erlebt und steht Ende 2022 an der Schwelle in eine neue Zukunft, in der die glorreiche mechanische Historie elektrisch neu zu definieren ist. Schon deshalb ist allein der Name Alfa Romeo Tonale ein großer Wurf und bestimmt die Rolle dieses Fahrzeuges als Brücke in eine neue Identität von Alfa Romeo als Hersteller rein elektrisch betriebener Automobile ab 2027.
Die Herausforderung dieses Übergangs ist enorm, insbesondere für eine Marke, deren Markenkern seit den Anfängen für Benzin, Nockenwellen und eine Akustik der Sonderklasse gestanden ist. Alfa Romeo ist die Quintessenz italienischen Motorenbaus, Sportlichkeit und dieser feinen Italianità, die nie ins Protzige oder Peinliche abgleitet. Wer Alfa Romeo fährt, beweist Stil und Grandezza, ob im Fahrzeug oder auch abseits.
Neue Zeiten brauchen offensichtlich neue Strukturen und so firmiert Alfa Romeo seit 2021 als eine von 14 Marken unter dem Schirm der Stellantis N.V mit Sitz in den Niederlanden, hervorgegangen durch die Fusion der italo-amerikanischen FCA Gruppe (Fiat Chrysler Automobiles) und der französischen PSA Gruppe (Peugeot S.A). Alfa Romeo ist hier im Premium Segment eingereiht und von Jean-Philippe Imparato geführt, dessen Name sich schon nach einem durchsetzungsfähigen Manager anhört und der selbst noch dazu (kein Witz!) in einer Alfa Romeo Giulia geboren wurde.
Ästhetik und Design
Wenn ein Fahrzeug höchsten ästethischen Maßstäben zu gehorchen hat, dann ein Alfa Romeo. Der Alfa Romeo Tonale überzeugt hier auf ganzer Linie und entspricht dem Prinzip „La Bellezza necessaria“, nach dem Schönheit und Funktionalität in Balance zu halten sind. Im Gegensatz zu den meisten Kompakt-SUVs fehlt jeder Anflug vom Pummeligkeit, die Karosserie erscheint gestreckt und elegant, genau mit dieser Prise Sportlichkeit, mit der sich jeder Mann oder jede Frau gerne umgibt.
Die Seitenlinie wird von der GT-Linie dominiert, die sich von den Frontscheinwerfern bis zu Heck zieht, Klarheit schafft, und dem Körper eine dynamisch Vorwärtsorientierung gibt. Die Front wird prominent von „Scudetto“, dem kleinen Schild, dominiert, traditionelles Zeichen im Rückspiegel, dass die linke Spur zu räumen ist. Auch die Full-LED Scheinwerfersignatur mit jeweils drei Lichtbögen rechts und links bezieht sich auf historische Modelle wie den Alfa Romeo SZ oder Brera.
Aufgenommen wird dieses Konzept auch am Heck mit jeweils 3 niedrigen Lichtbögen, an Front und Heck zentriert durch das traditionelle Alfa Romeo Markenlogo, welches ein Kreuz und eine gekrönte Schlange zeigt. Die Drachenschlange ist Teil des Familienwappens der Visconti, das rote Kreuz auf weißem Grund Teil des Stadtwappens Mailands und vereint zeigen sie die Verbundenheit zur Lombardei und Mailand.
Das sogenannte Greenhaus, also Glashaus über der Gürtellinie des Fahrzeuges, überzeugt durch filigrane niedrige Linien und eine Leichtigkeit, die dem Alfa Romeo Tonale zum sportlichsten Kompakt-SUV auf dem Markt macht. Unterstützt wird das Spiel der Flächen und Kanten bei unserem Testfahrzeug von der phänomenalen Farbe Verde Montreal, ein sattes Grün, das zwischen dunkel und hell changiert. Eine Alternative zum traditionellen Alfa Rosso.
Seine Standfestigkeit erhält der Tonale dann durch die traditionelle 5 Loch Felgen von Alfa Romeo, ein Klassiker, wie er sonst vielleicht nur auf alten 911er Porsches mit Fuchs-Felgen zu sehen ist.
Pro-Tipp für potentielle Käufer: Gönnen Sie sich die wunderschönen 20 Zöller! In der Editione Speciale mit dabei, kosten sie je nach Ausstattungsvariante (ab TI) rund 1.000.- Euro und haben keine negativen Einfluss auf das Abrollverhalten oder den Federungskomfort. Schönheit muss hier nicht leiden!
Antrieb
Verfügbar ist der Alfa Romeo Tonale als Mild-Hybrid mit einem 1.5 Liter Benzin-Turbo mit 130 PS oder 160 PS, beide mit 240 Nm Drehmoment plus 15 kW/55 Nm Elektroantrieb, integriert ins Getriebe. Diese Modelle sind immer mit einem 7-Stufen Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt.
Topmodell ist der Plug-In-Hybrid Q4 e-AWD mit Allradantrieb (elektrisch), 1.3 Liter Turbo-Benzin, 280 PS Systemleistung, wobei der Benzinmotor 180 PS/270 Nm beiträgt, der Elektromotor 90 kW/250 Nm. Diese Variante ist mit einer 6-Gang Wandlerautomatik gekoppelt.
Zu guter Letzt für Traditionalisten oder Flottenbetreiber gibt es einen 1.6 Liter 130 PS/320 Nm Diesel, gekoppelt mit einem 6-Gang Doppelkupplungsgetriebe.
Das Testfahrzeug Alfa Romeo Tonale Editione Speciale 1.5 T4 Hybrid MHEV war mit dem 1.5 Liter Turbo-Benziner mit 130 PS ausgerüstet, was für 9.9 Sekunden von 0-100 km/h reicht und eine Spitze von 195 km/h ermöglicht.
Fahreindrücke
Der Alfa Romeo Tonale empfängt seine Gäste mit gediegenem Ambiente, Alcantara-Leder-Kombination auf hervorragenden Sitzen, und eine Amaturenlandschaft, die nicht vollkommen mit der Historie gebrochen hat. Die gleichen röhrenhaften Zentralamaturen wie in einer Gulia, hier natürlich frei programmierbar, ob man nun die Drehzahl sehen will, oder lieber die Navigation im Full-Screen direkt vor dem Lenkrad.
Das Display in der Mittelkonsole ist selbsterklärend und einfach zu bedienen, jedenfalls kann die Bedienungsanleitung im Handschuhfach bleiben. Alles wie es immer war, nur eben auf dem letzten Stand der Technik. „La Bellezza necessaria“ eben, kein Chi Chi, sondern Funktionalität ästhetisch präsentiert, Alfa Romeo pur.
Das Getriebe ist über den zentralen Wählhebel bedienbar, wer gerne schaltet, dem bieten sich 2 sehr große (wie es sich gehört) fix montierte Schaltpaddles hinter dem Lenkrad an. Man sitzt gut eingebettet in ein Cockpit und integriert im Fahrzeug, sportlich, aber trotzdem mit einer guten Prise Luftigkeit und Übersicht. Das Einsteigen in das Fahrzeug gelingt übrigens leicht und angenehm, denn der Fahrersitz ist hierzu in idealer Höhe positioniert. Das Starten des Fahrzeugs entflammt noch nicht dem Motor und der Mild-Hybrid schiebt den Alfa aus der Parkposition. Erst das Verlangen nach Beschleunigung lässt die Zylinder zünden und setzt den Alfa Romeo Tonale in Bewegung.
Der 1.5 Liter Turbo Benziner ist ein fleißiger, drehfreudiger Motor, dem ich sogar sportliche Attitüden bescheinigen kann. Leise und gut gedämmt geht der 1.5 Liter zu Werke, hervorragend dazu abgestimmt das Getriebe, so dass man nie das Gefühl hat, manuell eingreifen zu müssen. Man fühlt sich also angemessen motorisiert, wenn auch nicht übermotorisiert, denn immerhin wollen 1.600 kg (inkl. Fahrer) bewegt werden.
Kernfrage ist also, ob 130 PS aus einem 1.5 Liter Turbo reichen. Aus Sicht eines Boomers mit Kenntnis von Alfa Romeo Motoren vergangender Jahrzehnte würde ich auf jeden Fall auch die 160 PS Variante in Betracht ziehen, um näher an meine eigenen Vergangenheit zu rücken. Wer die ultimative Kraft sucht, nimmt sowieso die Plug-In Variante mit 280 PS und Allrad, Traditionalisten hingegen vertrauen weiterhin Rudolf Diesel und 320 Nm Drehmoment.
Objektiv aber, im Jahr 2022 betrachtet, ergänzen sich der Mild-Hybrid und das tolle Fahrwerk, das wesentlich mehr Leistung verträgt, hervorragend. Man ist bestens angezogen, der Turbo quirlig und willig, der Verbrauch überschaubar. Laut WLTP 5,6-6,2 Liter Benzin, der Testverbrauch Stadt-Autobahn-Landstraße scharf gefahren dann bei niedrigen 7,8 Liter.
Hervorzuheben sind auch die vorzüglichen Bremsen. Fein zu dosieren mit Biss al dente. Sehr fein gelungen!
Apropos scharf gefahren. Der Tonale verfügt auch über den bekannten DNA Schalter, der den Fahrmodus wechseln lässt. D für Dynamic, N für Natural und A für Advanced Efficency.
Ausstattung und Preise
Basis des Tonale stellt das Modell Super dar, Benzin oder Diesel mit jeweils 130 PS und Automatik. Der Einstieg gelingt schon bei wohlfeilen EUR 35.600.-. Aufgefettet werden kann das Modell Super mit dem Sprint Paket um EUR 3.000.-, das unter anderem schon einen adaptiven Tempomaten, Keyless-Go und 10,25 Zoll Infotainment mit Navi beinhaltet.
Über dem Super ist das Modell Ti angesiedelt, der Sportler. Die Ti bekommt unter anderem noch Voll-Matrix LED Scheinwerfer, Parksensoren und eine Rückfahrkamera spendiert. Die Ti wird als 160 PS Benziner und 130 PS Diesel geliefert und der Einstieg gelingt ab EUR 42.450.-.
Über der Ti ist das Modell Veloce gelistet, welches vollausgestattet als 160 PS Benziner oder Plug-In mit 280 PS lieferbar ist. Preise hier ab EUR 45.900.-.
Die gefahrene Editione Speciale ist als 130 PS und 160 PS Mildhybrid verfügbar, sowie als absolutes Topmodell Plug-In mit 280 PS.
Fazit
Gelingt dem Alfa Romeo Tonale der Schritt in die Zukunft, ohne seine Gene zu verleugnen? Ästethisch und haptisch kann der Tonale lückenlos an die Historie von Alfa Romeo anschließen. Das Design gehört zum Besten, was auf 4 Rädern zu erwerben ist. Sportlichkeit und Eleganz ist genau das Package, was KonsumentInnen verlangen und was Alfa Romeo wie keine zweite Marke bietet.
Die Verarbeitung und das Finish ist über jeden Zweifel erhaben und bietet das Gefühl von Wertigkeit und italienischer Raffinesse. Man hat des Gefühl, ein teures Auto zu fahren, wenngleich die Preise volksnah gestaltet wurden. Aber auch die praktischen Aspekte kommen nicht zu kurz. Nicht umsonst sind Kompakte SUVs das boomende Segment. Klein genug für die Stadt, groß genug für den Skiurlaub. Der fehlenden Allradantrieb (bis auf den Plug-In Hybrid) sei dem Tonale in Anbetracht der sich ändernden Klimaverhältnisse verziehen und spart Gewicht und Kosten.
Fahrwerkstechnisch hat sich Alfa Romeo seit 1910 keine Blöße gegeben und auch der Tonale enttäuscht nicht. Erstaunlich komfortabel abgestimmt, trotz 20 Zöllern, durcheilt man sportlich Landstraßen minderer Güte und die gute Lärmdämmung macht auch längere Autobahnfahrten zu einem Vergügen.
Man reist irgendwie leicht, die Dimensionen stimmen, nichts ist zu groß, zu schwer, die Proportionen perfekt in Balance. Und ja, auch der 1.5 Liter Turbo Mild-Hybrid macht einen wirklich guten Job. Leise und unaufgeregt dreht der kleine Turbo, man fühlt sich sportlich motorisiert, ohne den Verbrauch aus den Augen zu verlieren.
Zu guter Letzt bietet ein Alfa Romeo immer Prestige, ohne die Grenzen der sozialen Akzeptanz zu sprengen. Gut angezogen wie mit einem Anzug von Armani, elegant und stilvoll.
Danke für die freundliche Kooperation mit Denzel.
