Ich bin Wiener. Und ich bin Skorpion. Genauso wie Karl Abarth, der Stammvater des Abarth 595 Competizione. Beste Voraussetzungen also für eine heftige Infektion mit dem Virus Abarth!
Karl (später Carlo) Abarth begann seine Karriere in der 1920er und 30er Jahren in Österreich als Motorradrennfahrer und Konstrukteur, siedelte aber nach dem 2.Weltkrieg nach Italien, um sich dem Automobilrennsport zu widmen.
Sein Umfeld bestand aus klingenden Namen wie Anton Piech, dem famosen Tazio Nuvolari (auch bekannt als „Mantovano volante“) und Ferry Porsche. So verwundert es nicht, dass Carlo Abarth mit dem nicht minder berühmten Wiener Konstrukteur Rudolf Hruska in den Motorsport einstieg und 1946 den Rennstall Cisitalia gründete, 1949 dann Abarth & C, eine Renn- und Sportwagenschmiede, die 1971 an Fiat verkauft wurde. Carlo Abarth stand Abarth noch einige Jahre als Direktor zur Verfügung, übersiedelte dann wieder nach Wien, wo er 1979 starb.
Abarth stand und steht seit mehr als 65 Jahren für die Liebe zum Motorsport, im Gegensatz zu Ferrari oder Maserati aber in einer volksnahen Version. Die Maxime hieß und heißt: Klein, leicht und schnell.
Nicht der technische Overkill ist Ziel, sondern das Ärgern der Großen mit seriennahem Material, am besten im Winkelwerk, wo das Handling und die Leichtigkeit so manchen Supersportwagen in Bedrängnis bringt. Nahezu 5000 Siege zeugen vom Ruhm der Marke, der bis heute ungebrochen ist.
Und genau das muss man wissen, um den Abarth 595 Competizione zu verstehen. Ein Automobil, hervorgegangen aus der Historie. Keine Replica, kein Retro Fahrzeug. Der Competizione steht da, wie ihn Carlo Abarth 2015 konstruiert und gebaut hätte.
Basis ist der Fiat Klassiker 500, bei dem aber alle wesentlichen Komponenten aufgerüstet wurden. Vom Fahrwerk angefangen, über die Brembo Bremsanlage hin zur symphonischen Auspuffanlage Record Monza mit Klappensteuerung und 4 Endrohren, die jedes Motörhead Konzert als Pensionistenveranstaltung deklassiert.
Der 1400er Motor kommt aus den Fiat-Stall, wurde aber gröberen Modifikationen unterzogen. Der kleine Turbo leistet 180Ps mit kraftvollen 250Nm Drehmoment. Wer jetzt glaubt, hier wäre nur ein wenig am Turbodruck gedreht worden, irrt.
Der Motor macht einen enorm bulligen Eindruck und hat mit dem 1000 Kilo Wagen sehr leichtes Spiel. Druckvoll dreht der Motor in den Bereich von 3800 Touren, um dann förmlich zu explodieren. Der Ladedruck (Anzeige!) zuckt bis etwas unter 2Bar und man hat alle Hande voll zu tun, den nächsten Gang einzulegen.
Besonders eindrucksvoll ist der Performance im zweiten und dritten Gang. Einfach brachial. Trotzdem läuft die Fuhre nicht aus dem Ruder, sondern bleibt stabil und traktionsstark, Gang für Gang! Nur gelegentlich hört man ein kurzes Zirpen, wenn das Drehmoment die 205/40 ZR 17 Michelin Sport durchreisst.
Geht es hart auf hart und es klebt ein Ferrari an eurem Heck, empfiehlt sich der Druck auf den Knopf TTC ( Torque Transfer Control). Das ASR wird deaktiviert und ESP greift später ein. Auch kurzzeitiger Traktionsverlust lässt die Motorleistung nicht verebben. Vielmehr wird Leitung zu dem Rad geleitet, das mehr Kraftschluss bietet. Und Schwupps ist der große Bruder im engen Geläuf verschwunden!
Das Fahrwerk ist konsequenterweise härter abgestimmt und überträgt mit sensibler Sensorik jede Unebenheit direkt ins Hirn des Fahrers. Etwas, was man mögen muss. Aber ein Abarth ist auch nicht für jeden gemacht und die Dämpfkraft der 40er Gummis tut dann noch ihr übriges (oder eben nicht!).
Kompensiert werden kleine Härten des Alltags mit wirklich hervorragenden Sabelt Sitzen! Beim ersten Setzen in den Abarth wähnt man sich auf der Folterbank eines SM Studios, doch von Kilometer zu Kilometer verliebt man sich in die Domina. Ich bin selten so gut und entspannt gesessen, klauenhaft festgehalten von den Seitenwangen dieses hervorragenden Sportsitzes! Ganz große Klasse!
Überhaupt passt die Ergonomie für mich hervorragend, was wohl auch meiner italienischen Größe zu verdanken ist. Sehr große Personen sollten auf jeden Fall testsitzen, da der Sitz nicht höhenverstellbar ist und das Lenkrad nur in der Neigung, nicht aber Distanz. Für mich hat es jedenfalls ideal gepasst.
Der Ganghebel nahe und hoch, fast wie ein sequentielles Getriebe eines Rally Wagens. Die Pedalerie ideal. Leichtgängige und sehr exakte Kupplung und eine schon fast erotische Lenkung (Sport). Ich hatte ein tolles Gefühl für die Vorderachse und exaktes Feedback. Da merkt man dann die 65 Jahre Erfahrung im Hause Abarth.
Überrascht war ich über lediglich 5 Gänge. Nicht, dass der Wagen mehr bräuchte. Das Drehmoment bügelt alles flach und in flotter Fahrt empfehlen sich sowieso beide Hände am herrlichen Ledervolant.
Trotzdem ist das Drehzahlniveau auf der Autobahn dann relativ hoch. 160km/h (natürlich in Deutschland…) bedeuten 4000U/min. Sportlich, kann aber auf längeren Strecken eventuell den Sportsgeist überfordern. Und man bedenke: Die Kanonenkugel läuft 225km/h !
Autobahnen werden aber vom ambitionierten Abarth 595 Competizione Treiber nur als Verbindungsetappe zwischen Wertungsprüfungen gesehen und dienen zur Abkühlung!
Wer es ruhiger will, nimmt den Zug! Denn das natürliche Umfeld eines Abarths ist die Landstraße, am besten ohne Verkehr und ohne Exekutive.
Denn das konsequente Einhalten aller Geschwindigkeitsbeschränkungen verlangt Disziplin. Sehr viel Disziplin. Der Motor fixt an. Man wird schnell abhänging vom Sound, von der Beschleunigung und von den Fliehkräften.
Der Abarth 595 Competizione ist ein konkurrenzfähiger Sportwagen und kann auch größeren Kalibern im engen Winkelwerk gefährlich werden. Die Gasannahme ist direkt, das Potential des Fahrwerks enorm. Kaum Seitenneigung und so viel Grip, wie ich es eigentlich für unmöglich gehalten habe, lassen den kleinen Kugelblitz zum König der Kurve werden, zum Pinball Wizard der Landstraße.
Im täglichen Leben bietet der Abarth alle Annehmlichkeiten eines Kleinwagens mit Parksensoren, Aircondition und Fensterhebern sowie einer tollen Soundanlage, die ich nie eingeschaltet habe.
Der Abarth macht sich seine Musik nämlich selbst. Jeder Start ein Konzert, jeder Gasstoß die Trompeten von Jericho. Gaswegnehmen aus höherer Drehzahl erzeugt dumpfes Grollen eines Gewitters über Sumatra. Wer sich länger damit auseinandersetzt, wird zum Ennio Morricone des Gaspedals!
Fazit
Der Abarth 595 Competizione trägt seinen Namen zurecht. Der kleine Kugelblitz ist ein reinrassiger Sportwagen, der in kundige Hände gehört. Der kraftvolle Motor überzeugt in Performance und Sound, und war mit etwas über 9 Liter Super in Anbetracht der Fahrleistungen akzeptabel sparsam.
Das Fahrwerk verlangt eine sportliche Einstellung, die Ausstattung umschmeichelt den Aficionado.
Ein Auto nicht für jeden, aber die ideale Wahl für Sportfahrer im Geiste Carlo Abarths. Klein, leicht und schnell. Seit mehr als 65 Jahren.
Kaufen, solange es sowas noch geben darf!
des competizione kit mit alupedale .aluschaltknauf alu schaltknauf und aluöldeckel ist nicht mal drinnen hat der händler wohl vergessen
Der Wagen war brandneu, unter 1000km. Kit kommt natürlich rein!
Großartiger Text!
Um genau zu sein, wiegt das Auto vollgetankt ohne Fahrer 1110kg, nicht 1000.
Danke Colin, warst immer schon ein Gewichtsfanatiker! Grazie!
Ich glaube, du hast recht. Der Biposto liegt bei knapp 1.000kg. Grazie!
Ja, der Biposto wiegt trocken 997kg; man kann also sagen, dass er fahrbereit so um die 1035kg wiegt, und wenn man die full optional Variante nimmt, sind es dann noch 1020kg. Das ist eigentlich gar nicht extrem, denn der Abarth 500 Assetto Corsa Evoluzione wiegt 910kg.
Das Ganze ändert jedoch nicht deinen guten Bericht, denn es ist wirklich ein Ritt auf einer Kanonenkugel.
Ein ganz wunderbarer Bericht! Der Schluss-Satz „Kaufen, solange es sowas noch geben darf!“ trifft es auf den Punkt und wiegt heute umso schwerer, als die EU den ‚Klappenauspuff‘ verbieten möchte.
Zum Glück habe ich mich vor Kurzem noch rechtzeitig an dieses Fazit gehalten und kann mich an diesem tollen Fahrzeug inklusive der fulminanten Record-Monza Klang-Kulisse erfreuen…