Die Blütezeit der hubraumstarken und heckflossenstrotzenden Straßenkreuzer war in den USA noch lange nicht vorbei. Wer Anfang der 1960er Jahre zwischen New York und San Francisco allerdings ein kompaktes und wendiges Auto suchte, kam an den europäischen Marken nur schwer vorbei. Zu den Herstellern, die von diesem Trend profitierten, gehörte auch Fiat. Nicht nur in den Familien italienischer Einwanderer erfreuten sich Fiat 500, Fiat 1100 und Fiat 1300 einer gewissen Beliebtheit.
Und die sportlich eingestellten Bewohner der sonnigen US-Staaten fuhren gerne auch die handlichen europäischen Cabriolets, die um ihre amerikanischen Konkurrenten in der Fünf-Meter-und-mehr-Klasse buchstäblich Kreise fuhren.
Kein Wunder, dass man bei Fiat von Anfang an auch die USA im Visier hatte, als der Nachfolger des Fiat 1500 Cabriolet entwickelt wurde. Während die Limousinenversion des Fiat 124 ganz im Stil der sogenannten „neuen Sachlichkeit“ gezeichnet war, sollte das Cabriolet formell völlig eigenständig werden. Gefragt war ein emotionales, auf den ersten Blick italienisches Design.
Mehrere renommierte Studios beteiligten sich am Wettbewerb. Den Zuschlag erhielt schließlich ein Entwurf von Pininfarina-Designer Tom Tjaarda. Der Amerikaner mit niederländischen Wurzeln verpasste dem Fiat 124 Sport Spider genannten 2+2-Sitzer eine markante Front mit flach auslaufender Motorhaube, die von ausgeprägten Kotflügeln mit runden Scheinwerfern eingerahmt wird. Auch der elegante Hüftschwung der hinteren Kotflügel und der Knick zur Kofferraumkante sind unverwechselbar.
Die Präsentation des Fiat 124 Sport Spider fand vor genau 50 Jahren auf dem Turiner Automobilsalon 1966 statt. Pininfarina übernahm die Fertigung der Karosserien in Grugliasco, die bei Fiat im Werk Turin-Mirafiori komplettiert wurden. Das Chassis inklusive Einzelradaufhängungen an der Vorderachse und hinterer Starrachse stammte von der Fiat 124 Limousine, war allerdings um 14 Zentimeter gekürzt und außerdem verstärkt. Die Großserientechnik versprach nicht nur Robustheit.
Beim Motor entschieden sich die Ingenieure allerdings, einen technisch aufwändigeren Weg zu gehen. Ex-Ferrari-Techniker Aurelio Lampredi konstruierte einen Vierzylinder mit einem Querstrom-Zylinderkopf aus Leichtmetall. Die beiden obenliegenden Nockenwellen wurden auf eine für diese Konstruktion zu der Zeit revolutionäre Weise angetrieben – von einem Zahnriemen aus Kunststoff. 90 PS aus knapp 1,5 Liter Hubraum waren Ende der 1960er Jahre eine Ansage.
Auch serienmäßiges Fünfganggetriebe und Scheibenbremsen an allen vier Rädern waren damals alles andere als selbstverständlich. Mit bis zu 170 km/h gehörte der rund 930 Kilogramm leichte Fiat 124 Sport Spider zu den sportlichsten Fahrzeugen in seinem Segment.
Auch die einfache Handhabung begeisterte Publikum wie Fachpresse. Das Stoffverdeck lässt sich mit wenigen Handgriffen öffnen und in einem abgedeckten Fach hinter der Rückbank verstauen. Die große Kunststoffheckscheibe und die seitlichen hinteren versenkbaren Dreiecksfenster lassen auch bei geschlossenem Verdeck viel Licht ins Cockpit. Dort haben Fahrer und Beifahrer in Kunstleder-bezogenen Sitzen bequem Platz.
Die hinteren Notsitze sind dagegen eher für Kinder gedacht. Hinter dem Lenkrad mit zwei sportlich gelochten Metallspeichen informieren fünf Rundinstrumente in der mit Holzfurnier verkleideten Armaturentafel über die wichtigsten Betriebsdaten. Eine Mittelkonsole gibt es in den frühen Fiat 124 Sport Spider nicht.
Ein Rezept, das wie geplant auch in den USA funktionierte – schon von der Ur-Baureihe AS (August 1966 bis Juli 1970) gingen rund zwei Drittel über den Atlantik.
Mehr Leistung, modernere Technik
Während der Fiat 124 Sport Spider der Serie BS (November 1969 bis Juli 1970) noch gebaut wurde, lief bereits die optisch leicht überarbeitete Baureihe BS1 (Juli 1970 bis September 1972) vom Band. Kennzeichen waren unter anderem die analoge Zeituhr, die in der Armaturentafel als sechstes Rundinstrument Einzug hielt, Mittelkonsole, geänderte Rückleuchten mit Rückfahrscheinwerfern, seitliche Chrom-Zierleisten sowie der Kühlergrill in Wabenstruktur mit mittig platziertem Markenemblem statt der bisher verbauten Variante mit drei Chromstreben.
Die auf Zweikreis-System geänderte Bremsanlage erhöhte ebenso die Sicherheit wie Kopfstützen an den vorderen Sitzen und die überarbeitete Hinterachse, die nun von vier Längslenkern und Panhardstab geführt wurde.
1971 erhielt der Motor des Fiat 124 Sport Spider mehr Hubraum. Der 1,6-Liter-Vierzylinder leistete nun mit zwei Doppel-Fallstromvergasern (Weber oder Solex) beeindruckende 110 PS. Angeboten wurde auch Version mit nur einem Registervergaser, die 10 PS weniger leistete, dafür aber bessere Verbrauchswerte realisierte. Das etwas größere Triebwerk erforderte eine Modifikation der Motorhaube.
Eigentlich war eine Hutze nur auf der linken Seite nötig, wo der größere, beinahe rechteckige Luftfilter platziert ist. Aus Symmetriegründen erhielt die Haube ab der Baureihe BS1 – wiederum auch späte Exemplare der Serie BS – aber gleich zwei markante Wölbungen. Von der Serie BS1 wurden sogar rund drei Viertel in den USA verkauft, hier aufgrund strengerer Abgasgesetze mit gedrosseltem Motor.
Schon ein Jahr später wurde die Motorisierung erneut geändert. Zu diesem Datum erhielt der Fiat 124 Sport Spider den 1,6-Liter-Vierzylinder aus dem Fiat 125 Special. Mit Zylinderkopf aus Leichtmetall und zwei obenliegenden Nockenwellen entsprach dieser zwar weitgehend konstruktiv dem Vorgängertriebwerk. Mit geringfügig kleinerem Hubraum und nur einem Doppelvergaser produzierte er aber nur noch 108 PS in Kombination mit dem Fünfganggetriebe beziehungsweise 104 PS, wenn das Fahrzeug mit dem Vierganggetriebe ausgerüstet war. Der Baureihencode lautet nun CS.
Nach weniger als einem Jahr Bauzeit erhielt der Fiat 124 Sport Spider mit der Serie CS1 wieder einen neuen Motor, dieses Mal aus dem zu dieser Zeit neuen Fiat 132. Ab August 1973 waren knapp 1,8 Liter Hubraum angesagt, die Leistung stieg – bei der Europa-Version – auf 118 PS mit Fünfganggetriebe. Zur Modellpflege gehörten außerdem die Anpassung von Drehzahlmesser, dessen roter Bereich nun erst bei 9.000 endete, und Tachometer. Die Anzeige reichte etwas optimistisch bis 220 km/h – tatsächlich betrug die Höchstgeschwindigkeit 185 km/h. Den Sprint von null auf Tempo 100 erledigte die Serie CS1 in 10,2 Sekunden.
Aus in Europa, Boom in den USA
Doch trotz nun stärkeren Motors verkaufte sich der Fiat 124 Sport Spider in Europa nur noch schleppend. Nach rund 22.000 auf dem „alten“ Kontinent abgesetzten Exemplaren lief das Angebot im Herbst 1974 offiziell aus. Von nun an ging die komplette Produktion nach Amerika. Der 1,8-Liter-Motor musste allerdings an die US-Emissionsbestimmungen und das bleifreie Benzin angepasst werden. Dadurch sank die Leistung zunächst auf 93 PS. Ab 1976 war eine aufwändige Abgasreinigungsanlage nötig, durch die noch einmal sechs PS verloren gingen.
Äußere Kennzeichen des Fiat 124 Spider America waren vor allem die ebenfalls den US-Vorschriften geschuldeten überdimensionalen Stoßfänger. Das außerdem nur noch als Zweisitzer zugelassene Cabriolet mit dem italienischen Charakter blieb ein Verkaufsschlager und fand bis 1978 mehr als 65.000 Käufer. Nur wenige Exemplare wurden für Europa abgezweigt beziehungsweise reimportiert. Auch die Nachfolge-Baureihen CS2 und CS0 wurden ausschließlich in den USA verkauft. Es sollte bis 1982 und bis zur Serie DS2 dauern, bis erneut ein Spider von Fiat in Europa angeboten wurde.
Der Fiat 124 Sport Spider im Motorsport
Mit der Einführung der Baureihe BS1 wurde der Fiat 124 Sport Spider auch für Rallyefahrer interessant. Mit kräftiger Unterstützung der Fiat Kundensportabteilung „Squadra Clienti“ etablierte sich der Spider in sogenannter Gruppe-3-Version (Serien-GT-Fahrzeuge) bald neben der Limousinenvariante des Fiat 124 als ernsthafter Siegkandidat.
Neben der Leistungssteigerung auf bis zu 155 PS bei 7.500 Touren waren ein eng abgestuftes Colotti-Renngetriebe, Sperrdifferenzial und Leichtbauteile eine unwiderstehliche Kombination. Wo erlaubt, senkten außerdem Türen und Hauben aus Kunststoff das Gewicht auf weniger als 900 Kilogramm. Die Konkurrenz nannte die natürlich stets mit geschlossenem Verdeck antretenden Fiat 124 Sport Spider respektvoll „Fetzendachbomber“. Erst ab 1971 gab es ein Hardtop aus Kunststoff.
Schon 1970 holten sich Alcide Paganelli und Beifahrer Ninni Russo im Fiat 124 Sport Spider den Titel in der Italienischen Rallyemeisterschaft. Im Januar 1971 ließen Håkan Lindberg und Beifahrer Sölve Andreasson mit Rang sieben bei der zur Weltmeisterschaft zählenden Rallye Monte Carlo aufhorchen. Ein Jahr später gewann Lindberg – jetzt mit Copilot Helmut Eisendle – sogar die WM-Läufe Rallye Akropolis und Österreichische Alpenfahrt. Am Jahresende belegte Fiat Rang zwei in der Marken-Weltmeisterschaft hinter der hauseigenen Konkurrenz von Lancia. Ebenfalls 1972 wurde Fiat Pilot Raffaele Pinto Rallye-Europameister.
Im Frühjahr 1972 stellte Fiat eine noch leistungsfähigere Variante des Spider vor, die mit dem 1,8-Liter-Motor unter dem Label von Abarth auftrat. Fiat hatte die traditionsreiche Marke kurz zuvor gekauft, die Verschmelzung der beiden Motorsportabteilungen war beschlossene Sache. Mit Beginn der Saison 1973 löste der anfangs 165 PS, später bis zu 210 PS starke Fiat Abarth 124 Rallye (Baureihencode CSA) den 1600er Spider auf den Rallyepisten der Welt ab.
Der Fiat 124 Sport Spider heute
Europäische Versionen des Fiat 124 Sport Spider der ersten Baureihen sind inzwischen seltene Klassiker. Die von den wenigen Verkäufern geforderten Preise halten sich bei rund 15.000 Euro dennoch in Grenzen. Deutlich häufiger sind aus den USA reimportierte Exemplare. Immerhin gingen bis 1978 rund 170.000 der insgesamt 197.000 gebauten Fahrzeuge über den Atlantik.
Grazie Fiat Chrysler Automobiles Austria GmbH