Wenn ich vor dem Saison in den Löchern scharre, dann wird Start meist durch ein *Bling in meiner Mailbox auch wirklich in Gang gesetzt. Und welcher andere Name als Piaggio ist befugt, die Saison 2020 gebührend einzuläuten. Ich öffne die Mail und eine Bekannte, wenngleich gänzlich neu und frisch, lacht mich an, die Piaggio Medley.
Nach Genua soll es gehen, an meine geliebte ligurische Küste, in diese alte Stadt, erstmals erwähnt 117 v. Chr. und benannt nach der Form der Küste, die einem Knie gleicht. Genua ist eine Stadt der Gegensätze, industrialisiert mit seinen Werften, Häfen und bizarr entstellt durch die Stadtautobahn „Sopraelevata Aldo Moro“, einem Relikt der 1960er Jahre. Wichtiger für uns ist aber, dass in Genua 1884 Piaggio gegründet wurde und so zum Ausgangspunkt einer der schillerndsten Firmengeschichten Europas wurde, die sich dann ab 1916 in Pontedera fortsetzte.
Genua also, Geburtsort von Christoph Columbus, und Ausgangspunkt meines Saisonstarts mit der Piaggio Medley. Etwas außerhalb von Genua, in Nervi, liegt meine Homebase, die Villa Pagoda, ein traditionelles italienisches Haus erster Güte und ideal positioniert zwischen dem Getümmel in Genua und Portofino, dem zweiten Eckpunkt meiner Reise.
In der Früh geht es gleich los, wichtig ist die Wahl der Waffen, die vor allem für die farbliche Abstimmung zwischen Gerät und Reiter maßgeblich ist. Ich entscheide mich für eine Piaggio Medley 125ie S in grau mit roten Applikationen, die für mich einen doch wesentlich sportlicheren Auftritt als das Standardmodell erlaubt. Im S-Pack mit dabei sind auch die schwarzen Felgen mit dem güldenen Bremssattel am 16Zoll Vorderrad, die feurig roten Federbeine und natürlich das Connectivity System MIA, welches eine Anbindung des Smartphones an die Piaggio Medley erlaubt. Wohlfeil ist das Standardmodell (125ccm) mit EUR 3.339.- und das S-Pack verlangt nur eine Mehrinvestition von EUR 100.-, was für mich einen Griff zum S-Modell fast zum Muss macht.
Alternativ zu den beiden 125ccm Modellen ist die Piaggio Meldey in Österreich auch mit 150ccm erhältlich, eine Hubraumvariante, die zwar den A-Schein verlangt, in Italien aber erst den Zugang zur Autobahn ermöglicht (Preise 3.599.-/S Modell 3.699.-).
Erster Programmpunkt ist der dichte Stadtverkehr Downtown Genova, der die Handling-Qualitäten auf engstem Raum ebenso prüft, wie den Antritt von der Ampel und gegebenfalls die Bremsen. Das Standardmodell ist technisch baugleich mit dem S-Modell, mit allen Betriebsmitteln 144kg leicht und mit einem 16 Zoll Rad an der Vorderachse sowie einem kleinerem 14 Zoll Rad an der Hinterhand versehen. Bemerkenswert ist auch die geringe Sitzhöhe von knapp unter 80cm, die es auch kleineren FahrerInnen erlaubt, jederzeit festen Boden unter den Füßen zu haben, sei es an der Ampel oder vor allem beim Rangieren, was hier mit Leichtigkeit geling.
Bemerkenswert ist auch der sehr niedrige Durchstieg der Piaggio Medley, der keine Einbußen der Fahrstabilität mit sich bringt. Und schmal ist die Medley, sehr schmal am Lenker und auch der Karosserie, was beim Durchschlängeln und im dichten Stadtverkehr ein Segen ist, weil jede Lücke genutzt werden kann, um das eigene Vorankommen zu garantieren. An all diesen Punkten merkt man die endlose Erfahrung von Piaggio und natürlich auch die Herkunft der Medley, die genau für solche Bedingungen gebaut wurde.
Ein weiteres Merkmal der sensationellen Praktikabilität der Piaggio Medley stellt der Stauraum unter der Sitzbank dar, der 2 Vollvisierhelme fasst, wie ich selbst testen könnte. Möglich wird dies durch das kleinere Hinterrad, welches jetzt allerdings mit 120mm etwas breiter wurde.
Nach all diesen sachlichen Vorzügen, die alleine schon einen Kauf rechtfertigen, die emotionalen Vorzüge der Piaggio Medley. Und hier muss einfach der i-get Motor hervorgestrichen werden, weil er jetzt mit 15 PS das Leistungslimit voll ausschöpft. „Wiegt nix“ und maximale Leistung machen einfach Laune und die Medley schlicht und ergreifend zu der wahrscheinlich schnellsten B111 Rakete an der Ampel und ein Topspeed vom 99km/h lassen sie auch auf der Südosttangente oder der „Sopraelevata Aldo Moro“ auf die linke Spur.
Wozu also die 150er Variante, die ich auch testen konnte? Auch wenn der Hubraumzuwachs nur 25ccm ist, die Leistung um 1,5 PS und das Drehmoment um 3Nm steigen, so ist der subjektive Leistungssprung ganz klar erlebbar. Die 150er zieht der 125er kontinuierlich davon und fühlt sich auch sportlicher an, da der Motorlauf vielleicht nicht so seidig, dafür aber ein wenig rauher ausgelegt ist. Mehr Adriano Celentano als Caruso, aber trotzdem überaus angenehm zu fahren.
Am Nachmittag geht es dann der Küstenstraße entlang nach Portofino, Landstraßen der zweiten und dritten Ordung, Kurven und Kehren, Terrain, welches das Fahrwerk fordert, für die Medley aber ein idealer Spielplatz ist. Hier zittert nichts, hier wird die Spur gehalten, dass es nur so eine Freude ist. Hervorragend auch die Ergonomie und Hebelei, sowohl für kleinere als auch größere Rider, die auch ihren Platz finden werden.
Die Piaggio Medely reiht sich im Segment der Großradroller als Bindeglied zwischen Liberty und Beverly ein, gefühlt mit dem neuen Modell aber schon näher an der Beverly, die allerdings für den Jahrgang 2020 auch ein Update erfahren hat.
Ich halte die Piaggio Medley nicht nur für ein finanziell attraktives Angebot, vielmehr überzeugt sie mit technischen und auch emotionalen Qualitäten, die ein Auto, zumindest in der Stadt, obsolet machen.
Macht euch eine Probefahrt bei eurem nächsten Piaggio-Händler aus und überzeugt euch selbst. Ob in Wien, Graz oder Genua.
Technische Daten Piaggio Medley
Piaggio Medley 125/150 – Technical Data Sheet | ||
Single cylinder, 4-stroke Piaggio i-get with ‚Start & Stop‘ system | ||
124.7 cc | 155.2 cc | |
52 mm / 58.7 mm | 58 mm / 58.7 mm | |
11 kW at 9000 rpm | 12.1 kW at 8750 rpm | |
12 Nm at 6500 rpm | 15 Nm at 6500 rpm | |
Single overhead camshaft (SOHC) – 4 valves | ||
Liquid | ||
Electronic injection | ||
Wet sump | ||
Electrical | ||
Automatic continuously variable transmission (CVT) with torque server | ||
Automatic centrifugal dry clutch | ||
Single cradle structure in tubular steel with pressed reinforcements | ||
Telescopic hydraulic fork, 88 mm stroke | ||
Hydraulic dual action shock absorber, 5-position spring preload adjustment, 76 mm stroke | ||
Bosch two-channel ABS 10.0 | ||
Ø 260mm brake disc served by Ø 25,4 mm dual piston floating calliper | ||
Ø 240mm brake disc served by Ø 22 mm dual piston floating calliper | ||
Tubeless 100/80-16” | ||
Tubeless 120/70-14” | ||
799 mm | ||
1,395 mm | ||
136 Kg | ||
7 litres (including 1.5 litre reserve) | ||
41.5 km/l | 41 km/l | |
59 g/km | 59 g/km | |
Euro 4 |