Wohl kein Fahrzeug hat eine so lange und konsistente Geschichte wie der Jeep Wrangler, der direkte Nachkomme des Willys Jeep der amerikanischen Armee aus dem Jahr 1940. Entwickelt für die Befreiung Europas vom Joch des Faschismus, landet der Jeep, wo könnte es auch anders sein, am 10.Juli 1943 auf Sizilien und wird somit schon vor 75 Jahren zum Italiener. Am 3.September 1943 setzt der Jeep dann bei Salerno auf den Stiefel über und wird in Europa zur Legende.
Wie es das Schicksal so will, trifft man sich aber immer zweimal, und wieder spielt Italien eine wesentliche Rolle in der Geschichte des Jeep. Im Jänner 2014 übernimmt Fiat die Chrysler Group, zu der Jeep nach einigen Eigentümerwechseln mittlerweile gehört, wird selbst zu FCA Group und damit auch zur Eigentümerin von Jeep, der 71 Jahre nach der Landung in Italien eingebürgert wird.
Jeep Wrangler
Der Jeep Wrangler ist nicht nur das Original unter den Geländewagen, sondern mittlerweile auch der wahrscheinlich letzte Überlebende einer Gattung, die durch auf Straßenfahrzeugen basiernden SUVs ersetzt wurde. Beim Jeep ist noch alles so, wie es Maschinenbauer erdacht haben, robust, unverwüstlich, erdig. 2 Starrachsen massiverer Bauart werden in einem neuen und leichteren Leiterrahmen geführt, der Seven-Slot-Kühlergrill steht wie ein Burgtor im Wind. Die Innovation geschieht im Verborgenen, Teil für Teil wurde neu gedacht, die Windschutzscheibe steht flacher, ist aber immer noch klappbar, um sich am Strand von Reggio Calabria im Fahrtwind zu kühlen, idealerweise ohne Türen, die selbstverständlich auch schnell und unkompliziert zu entfernen sind.
Der Dachaufbau lässt sich ebenfalls entfernen, beim Jeep Wrangler Sport und Rubicon als Softtop, beim Sahara serienmäßig als Hardtop. Um die Masse zu reduzieren, sind Motorhaube, Türen und die Kotflügel jetzt aus Aluminium gefertigt, die seitlich rechts montierte Hecktüre gar aus Magnesium, was allerdings bei einem Leergewicht des Jeep Wrangler Sahara von 2 Tonnen (minus 5 kg) das Kraut auch nicht mehr fett mach. Dafür dürfen allerdings gebremst 1,5 Tonnen an den Haken genommen werden, was den Wrangler natürlich auch als Zugfahrzeug interessant macht.
Antrieb
Im von uns getesteten Jeep Wrangler Sahara in Vollausstattung ist der 2.2 Liter Turbodiesel mit 200 PS und einem knackigen Drehmoment von 400Nm verbaut, der wirklich souveränen Vortrieb erlaubt. Kenner ahnen, dass das Triebwerk aus Italien stammt und auch in anderen Modellen des FCA Konzerns zum Einsatz kommt. Der Motor ist nach Abgasnorm 6d-temp zertifiziert, soll aber auch die ab 2021 gültige Abgasnorm Euro-6d Norm erfüllen. Da können sich die Kollegen aus Deutschland also noch was abschauen, was zukunftssichere Diesel betrifft.
Alternativ soll in Europa auch ein 2 Liter Benzin-Turbo zum Einsatz kommen, der 270 PS und ebenfalls 400Nm in die Waagschale werfen wird. Gekoppelt werden die Motoren bei uns mit einer wirklich exzellenten 8 Gang Automatik, die auch manuell am Automatikwählhebel geschalten werden kann. Trotzdem unterscheidet sich aber die Antriebseinheit der Modelle Sport, Sahara und Rubicon, die 3 Ausstattungsreihen auf dem europäischen Markt. Das Basismodell Sport und der Jeep Wrangler Sahara verteilen ihr Kraft über das Command Trac Full Time System und einer möglichen Untersetzung von 2,72, der Rubicon als Hardcore-Offroader mit dem Rock Trac Full Time Antrieb und einer Untersetzung von 4.
Zusätzlich sind beim Rubicon die Stabilisatoren entkoppelbar, was eine noch größere Verschränkung der Achsen erlaubt. Weiteres Plus des Rubicon: Zusätzlich zum Mitteldifferenzial können Vorder- und Hinterachse gesperrt werden, was dann die wohl weltbeste Geländeperformance ergibt.
On the road
Bei unserem Testwagen handelt es sich um das Modell Jeep Wrangler Sahara im der absoluten Vollausstattung. Der Sahara eignet sich nicht nur zur großen Reise durch die afrikanische Wüste, sondern stellt die Optimalvariante für den europäischen Cowboy dar. Allein schon durch die hervorragende Übersichtlichkeit eignet sich der Jeep für den Großstadtdschungel der Metropolen, denn den Designern stand ausschließlich das Lineal zur Verfügung, auf den Zirkel wurde großzügig verzichtet.
Der Jeep ist zwar massiv, im Betrieb aber nie unhandlich. Man fühlt sich wie in einem Kompaktwagen auf Stelzen, auf SUVs lächelt man an der Ampel wissend hinab. Ein Gefühl der Gelassenheit stellt sich ein, das Wissen, jede Unpässlichkeit meistern zu können, lassen den Besitzer oder die Besitzerin tief in sich ruhen. Der Wrangler ist im Stadtverkehr geradezu spritzig, die 200PS werden von der wirklich famosen Automatik aristokratisch verwaltet. Selbst das Einparken ist ein Kinderspiel, fröhlich piepsen die Sensoren rundum, das Heck lässt sich zentimetergenau mit der Rückfahrkamera justieren, die auch während der Vorwärtsfahrt einsetzbar ist, um zum Beispiel das Kennzeichen von Dränglern zu identifizieren. Dass Bordsteinkanten oder Verkehrsinseln zu Kieselsteinen verkommen, versteht sich bei der Bereifung von 255/70 R18 von selbst, was alles in allem zu einer Bodenfreiheit von 26cm führt.
Das Interior
Innen gibt sich der Jeep Wrangler zweckmäßig, aber doch luxuriös. Herrschaftliche Ledersitze laden zum Verweilen ein, Leder am Amaturenbrett und das High-End-Multimediasystem lassen das Gefühl von Hüttenatmosphäre aufkommen, allein das prasselnde Feuer im Kamin fehlt, was allerdings durch eine Simulation am 8,4″ Touchscreen auch noch machbar wäre.
Das Platzangebot ist so, wie es in den Genen des Jeep angelegt ist. Vorne großzügig im Beinbereich und kompakt auf Schulterhöhe, ideal, um den Ellenbogen auf der Fensterkante zu entspannen. Die Passagiere in der zweiten Reihe finden üppigen Knieraum vor, hocken aber wie „Die Vier im Jeep“. Stauraum ist bei Vollbesetzung so gut wie nicht mehr vorhanden, dafür kann aber die Rücksitzbank schnell und einfach doppelt umgeklappt oder ganz entfernt werden, was einen quaderförmigen Kofferraum von etwa einem Kubikmeter erlaubt. Ein teilweises Umklappen der Rückbank war in den Anforderungen der US-Armee 1940 nicht vorgesehen, aber für den Transport von 4 Personen UND Gepäck hat Jeep ja den Unlimited mit 4 Türen und einem um einen halben Meter verlängerten Radstand gebaut. Das nennen wir pragmatisch!
Autobahn
Auch Autobahnen waren in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts erst im Enstehen und daher nicht auf der To-Do Liste der Entwickler. Trotzdem fährt sich der Jeep Wrangler auch auf schnellen Etappen exzellent, was mit dem allgemeinen Entspannungsprogramm zu tun hat. Die Automatik schaltet, die Cruise-Control waltet. Der Fahrer beschränkt sich auf Korrekturen des Kurses und erfreut sich an den Bässen des Subwoofers im Kofferraum. 2 Tonnen und die Dämpfung der Reifen tun ihr übriges, um auch nach langen Autobahnetappen entspannt aus dem Wrangler zu federn. Selbst die Windgeräusche bleiben draußen vor dem Tor und der 2.2 Liter schnurrt zufrieden vor sich hin. Sticht der Hafer, schiebt der Diesel kräftig an und muss sich erst bei knapp 180Km/h den areodynamischen Kräften beugen.
Das Fahrverhalten des Jeeps bei schneller Fahrt oder auch in Kurven will ich zwar nicht als sportlich bezeichnen, trotzdem überrascht die Stabilität und Ruhe des Fahrzeugens, selbst dann, wenn man es mit der Geschwindigkeit auf der Autobahnabfahrt ein wenig übertreibt. Keine Angst, alles nur eine Illusion der hohen Sitzposition, dein Jeep Wrangler könnte noch viel mehr.
Gelände
Apropos „Könnte noch viel mehr“. Wir sind den Wrangler leider nicht am Rubicon Trail gefahren, doch lässt sich schon in heimischen Wäldern erahnen, dass wohl nur der eigene Mut die Grenze des Machbaren setzt. Ich kann mir keine praktische Situation vorstellen, die mit dem Jeep nicht bewältigbar wäre, aber seht einfach selbst, was alles machbar ist!
Fazit
Irgendwie habe ich mich in den Jeep Wrangler verliebt. Es ist ein Privileg, das Original fahren zu dürfen, den Urmeter aller Geländewagen. Und der Jeep Wrangler ist wohl eine der letzten Möglichkeiten, eine Ikone des ausklingenden Zeitalters der Verbrennungskraftmaschine zu erwerben. Durch die restriktive Zollpolitik ist der Erwerb zwar nicht billig, ein Blick in Gebrauchtwagenbörsen lässt aber erkennen, dass man sich einen Wrangler für immer kauft. Gebrauchte Exemplare sind äußerst rar und das Preisniveau auch hier dementsprechend hoch, einmal abgesehen von den enormen Laufleistungen, die der robuste Jeep erreicht. Man sollte hier in Jahrzehnten denken, was den Anschaffungspreis wieder stark relativiert, weil ja der Wertverlust dementsprechend gering ist.Ein Jeep Sahara spielt sich Liste ab 66.000 Euro ab, als Unlimited ab rund 70.000 Euro. Man sollte sich also um ein gutes Gesprächsklima mit dem Jeep-Händler bemühen!
Ein Jeep macht nicht nur im Gelände Spaß, sonder auch auf Asphalt, einmal ganz abgesehen von Schnee und anderen Wetterkapriolen, denen ihr gelassen entgegensehen könnt. Gelassenheit ist überhaupt ein guter Begriff im Zusammenhang mit dem Jeep Wrangler. Er kann auf jeden Fall mehr als ihr, ein Monolith von einem Auto, eine Legende ganz ohne Chi-Chi. Ein Jeep muss nichts erklären, ein Jeep ist einfach ein Jeep.
Und das mit dem Kaminfeuer werden wir ihm auch noch beibringen.
Danke für die freundliche Kooperation mit Denzel Wien.
Fotos: Raphael Berthold & Christoph Cecerle